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Sebastian Gronbach:
Missionen.
Freies Geistesleben, 2008.
ISBN: 978-3-7725-2077-8
244 Seiten, EUR 14,90
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An diesem Buch scheinen sich die Geister zu scheiden, so kontrovers steht es in der Kritik. Was die Menschen offenbar am meisten nervt, ist die Art, wie sich Sebastian Gronbach als Person in den Mittelpunkt stellt. Wo ist das Problem dabei?
Ich habe Sebastian Gronbach vor dem Lesen dieses Buches bei einem Vortrag kennengelernt und war beeindruckt von der Authentizität, die er sich zum Postulat gemacht hat und die er für mich tatsächlich auch ausstrahlte. Dazu gehört für ihn, wie er es auch in seinem Buch tut, seine Schattenseiten öffentlich zu machen, zu denen eben auch seine Geltungssucht und seine Eitelkeit gehören. Er hat sich dafür entschieden, sich quasi nackt der Kritik auszusetzen, er stellt sich und seine Erfahrungen an den Pranger und vertritt konsequent seine Ansichten, wobei er sie im gegebenen Fall zu revidieren bereit ist und Fehler eingesteht. Aber was löst er damit aus?
Seine Art zu schreiben ist ungewöhnlich, denn er geht sofort unmittelbar auf seinen Leser zu und tritt in den direkten Dialog mit ihm. Das Buch entsteht sozusagen prozesshaft vor den Augen und in Zusammenarbeit mit dem Leser. Indem uns Gronbach an seiner eigenen Entwicklung und an ganz konkreten Erlebnissen teilhaben lässt, erfahren wir, was ihm die Anthroposophie bedeutet und bekommen so eine verblüffend einfache Einführung in diese. Gleichzeitig setzt eine Konfrontation mit einem selbst ein, etwa mit dem eigenen Doppelgänger. Dann legt Gronbach richtig los. Er kehrt das Unterste nach oben, schlachtet die heiligen Kühe der Anthroposophen, hinterfragt liebgewordene Bilder, rüttelt an den Grundfesten unserer Überzeugungen und am Ende ist kein Stein(er) mehr auf dem anderen. Ob es die Frage nach dem Umgang mit Gewalt, Migrationskindern in der Waldorfschule, um Sexualität oder die Kritikfähigkeit der Anthroposophen geht - er bringt alles auf den Tisch. Hinter diesem Nullpunkt kann wieder das aufleuchten, was ursprünglich von Steiner gemeint war und es kann integrales Handeln entstehen. Im Sinne der Philosophie der Freiheit muss sich jeder Einzelne in die Verantwortung stellen und seine Entscheidungen treffen. Im zweiten Teil wird sein Stil dann sehr philosophisch, sehr wesentlich und hochgedanklich, wodurch er sicher einige Leser abhängt. An manchen Stellen wird es auch tatsächlich zu Guru-mäßig mit seiner Freude über seine Erleuchtung. Die "Elite", die durchhält, bekommt noch einige spirituelle Hämmer vorgesetzt, die das Nach-denken aber durchaus lohnen.
Nach der Lektüre dieses Buches ist man im wahrsten Sinne des Wortes frei: frei von Illusionen, von Althergebrachtem, von Abhängigkeiten, von lange Zugedeckeltem. Es wird am Ende aber auch frei von Gronbach als Person, weil es auf einmal viel mehr mit einem selbst zu tun hat. Es ist eine neue geistige Dimension entstanden, Anthroposophie in progress. Das ist jung und revolutionär. Also ich finde das gut.