Moira Müller: Moira, 16 Jahre. "Ich hatte Anorexie". Tagebuch einer Heilung. Verlag Urachhaus, 2001. 213 Seiten, DM 29,80 |
Wie sich das anfühlen mag, magersüchtig zu sein? Wie kann eine Diät plötzlich dazu führen, dass das Aufhören unmöglich wird und jegliche Nahrungsaufnahme zum Kraftakt wird? Wie kommt es dazu, dass ein nettes junges Mädchen sich bis an die Schwelle des Todes hungert? Welche Warnsignale sollten Eltern, Ärzte und Betroffene hellhörig machen?
Die sechzehnjährige Moira hat ihre Leidensgeschichte in Form eines Tagebuchs aufgeschrieben, um ihren vielen Schicksalsgenossinen damit zu helfen. Von ihrem zehnten Lebensjahr an schildert sie ihr ganz normales Mädchendasein, in dem Pferde, Jungs und das Aussehen eine wichtige Rolle spielen. Sie lebt in einer liebevollen Familie, interessiert sich für Boxen und Künstlerisches und beginnt ihre ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht zu machen - bis sie eines Tages eine Diät beginnt, weil sie ihre Beine zu dick findet. Doch bald wird ihr und ihren Eltern klar, dass sich der Prozess verselbstständigt, denn sie nimmt immer weiter ab und das Essen bleibt ihr in der Kehle stecken. Moira entwickelt ein geschicktes Mogelsystem, mit dem sie sich selbst und ihrer Umwelt vorspielt, dass alles in Ordnung kommt. So manövriert sie sich immer weiter in das zwanghafte Hungern hinein, bis sie so abgemagert ist, dass sie fast stirbt.
Erst dann findet sie einen Therapeuten, der sich mit ihr auf die Suche nach der echten Moira macht, die sie hinter einer Fassade aus Äußerlichkeiten versteckt hat. Ohne dem Essen übertriebene Bedeutung beizumessen, lehrt er sie, ehrlich zu sein, Respekt vor dem Leben zu haben und die Ruhe auszuhalten, damit sie einen Bezug zur Wirklichkeit gewinnen kann und den Kampf gegen die Anorexie aufnehmen will. Streng konfrontiert er sie mit ihrer emotionalen Leere, ihrer Verwöhntheit und ihren hohen Ansprüchen an sich selbst, steht ihr aber stets verläßlich zur Seite, wenn sie Panik vor dem allmählichen Aufbau ihres Leibes bekommt, so dass sie schließlich auch innerlich gestärkt aus ihrer Krankheit hervorgeht.
Moira hat ihre eigenen Tagebucheinträge nachträglich mit Kommentaren versehen, durch die sie aus ihrer heutigen Sicht ihre damaligen Wahrnehmungen zurechtrückt, in einem für ihr Alter ungewöhnlich guten Stil. Diese ganz persönliche Dokumentation geht alle an, die mit jungen Mädchen zu tun haben, damit die Magersucht bereits in einem frühen Stadium erkannt werden kann, wenn sie noch gut behandelbar ist. Für Betroffene kann sie zugleich Mahnung und Hoffnungsschimmer sein, ein Spiegel, in dem sie nicht nur sich selbst erkennen können, sondern auch die vielen anderen, die ebenfalls an Essstörungen leiden. Bravo, Moira!