Edda Singrün-Zorn: Das Lied der Arve. Urachhaus, 2004.
ISBN: 3-8251-7471-9
216 Seiten, EUR 11,90
Es gibt Bücher, die berühren. Sie verändern den Menschen, erhellen
den Tag, lassen negative Gedanken einfach verschwinden und appellieren unbemerkt
an das Gute, das tief versteckt schlummert. Bücher, bei denen man mitweint, die
man nie mehr vergisst, bei denen man die Welt einteilen kann in die Zeit vor dem
Buch und die danach. So ein Buch ist "Das Lied der Arve".
Edda Singrün-Zorn zeichnet das Leben des Geigenbauers Ambrosius Bartholomäus Schneehauser
nach, der mit sechs Jahren seine erste Flöte schnitzt und dabei die Liebe seines
Lebens entdeckt, die zur Musik. Ihm wird rasch klar, dass er Geigenbauer werden
möchte. Er, der junge, der in ärmlichen Verhältnissen im Gebirge auf einem Berg
lebt, in einem Haus, von dem man erst einmal mühsam herabsteigen muss, um ins
Dorf zu gelangen. Man braucht vielleicht die Weite, die Einsamkeit, die rauen
Winde und das aufeinander Angewiesensein, wenn man in solchen Verhältnissen lebt,
um ein reiches Seelenleben zu entwickeln, um Freiheit nicht nur zu spüren, sondern
mit jeder Faser des Herzens zu leben, eine Freiheit, die bedeutet, das Beste für
den anderen zu wollen und immer aufrecht und bedacht zu handeln. Schritt für Schritt
erfüllt sich der tüchtige Junge seinen Lebenstraum, er lernt in Mittenwald das
Geigenbauen, seine Wanderjahre führen ihn in die Welt und im höchsten Norden findet
er das Mädchen, das er liebt, aber im Moment des Findens wieder verliert.
Zwei Weltkriege muss Schneehauser erleben, die ihn an die Front führen, ihn mit
dem Leid konfrontieren und bei allem Schrecklichen, das er sehen muss, bleibt
ein Schneehauser ein Schneehauser, durch und durch Mensch, er hilft Freund wie
Feind und verbindet so, was falsche Politik trennt. Gegen das Unrecht stellt er
sich selbst, das reine Herz, dem alles Egoistische, alles Machtstreben, alle Gier,
aller Hass vollkommen fremd ist. So wirkt Schneehauser in dunklen Zeiten der Menschheit
wie eine leuchtende Hoffnungskerze, die den Menschen zeigt - gebt nie auf, seid
immer Menschen, helft einander und hört nie auf, nach Frieden zu streben. Bei
allem ist die Welt für Ambrosius immer voller Töne, die er in seinen Instrumenten
festhält. Jede Geige aus seiner Hand ist eine besondere, jede Geige findet den
Weg in die Hand, die sie perfekt zum Klingen bringt. Kunst, Handwerk und Intuition
verbinden sich auf einzigartige Weise. Wie Ambrosius gelebt hat, so geht er auch
- ein stiller Mensch, einer, der vielleicht gar nicht ganz irdisch sein konnte,
dazu war er viel zu gut. Und er hinterlässt einen Leser, der sich glücklich schätzen
darf, dieses Buch gelesen zu haben. Wenn Sie sich und andere Menschen glücklich
machen wollen, jemandem Stunden hoher Erzählkunst, wie sie heute so selten geworden
ist, schenken mögen - mit dem "Lied der Arve" sind Sie gut beraten. Und es schadet
nicht, wenn Sie mal nachschauen, wie eine Arve eigentlich wächst. Sie werden staunen.
Was hat der kleine Ambrosius dem Pfarrer gesagt, als er zur Christmette den Hirtenengel
gesungen hatte: "Ich weiß auch net, was das ist, Vater Winfried, aber wenn ich
sing oder spiel, dann hol ich die Musik nicht aus mir heraus, sondern ich spür,
wie sie von oben in mich hineinfällt. Das war schon immer so, das ist wie ein
Geschenk, das von den Sternen kommt." Beim Lesen werden Sie mit Sternengeschenken
nur so überschüttet.