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Anke Gebert / Ute Karen Seggelke:
Frauenräume.
Gerstenberg, 2004.
ISBN: 3-8067-2929-8
200 Seiten, EUR 24,95

20 Frauen zu besuchen und sich in ihre Wohnräume entführen zu lassen, ist ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Das Autorenduo hat sich auf den Weg gemacht und Frauen in ihrem Zuhause besucht. Und als Resümee kann man vorweg schon sagen: Die Räume zeigen, wer darin lebt, oder: Jeder Mensch drückt seiner direkten, persönlichsten Umgebung seinen ganz eigenen Stempel auf. Und: Raum und darin lebender Mensch stehen in einem beständigen Dialog. Einrichtung ist mehr als Funktion und Ästhetik, mehr als Höhlenbau und Ort der Sauberkeitsattacken. Es gibt Räume, die schotten nach außen ab, Räume, die direkt einladen, einzutreten, Räume, die kraftvoll sind, Räume, die still werden lassen, Räume, in denen intensiv gearbeitet wird und Räume, in denen nur Träume erlaubt sind.
Das Buch ist keine Homestory, bei der die Neugier der Yellowpress-Leserin befriedigt wird. Es ist eine Konfrontation mit der Frage: Sag mir, wie du wohnst und ich sage dir, wer/wie/was du bist. Wir blicken in 20 Frauenräume, lesen von 20 Frauenschicksalen und staunen, denn manchmal denkt man: Das passt wie die Faust aufs Auge zu dieser Persönlichkeit oder "Ach was, so wohnt sie? Hätte ich nicht gedacht" und das lädt zum Nachdenken darüber ein, wie man selbst lebt.
20 Berichte über Frauen, 20 Mal Bilder aus ihren Häusern, ihren Arbeits-, Schlaf-, Badezimmern, von ihren Gärten, 20 Portraits. Man sieht - Räume wachsen mit den Menschen. Der Mensch formt sich seinen privaten Raum wie einen Abdruck seiner Selbst. Höhlenartiges und Offenes, Abschottendes und Weitendes, Einladendes und um Abstand Bittendes zeigen - wir alle brauchen Rückzugsmöglichkeiten, aber auch Orte der Geselligkeit, wir brauchen Kunst und Krempel ebenso wie Tiere, Pflanzen oder auch das Nichts, das unsere Gedanken frei fließen lässt und das Auge daran hindert, sich an Materiellem festzusaugen nach dem Motto: Wo nichts ist, kann auch nichts stören. Mutige Frauen sehen wir, die das Nichts zulassen können, aber auch mutige Frauen, die sich nahezu zumüllen und sich mit Tausenden von Erinnerungsstücken umgeben wie eine zweite, inzwischen langjährig gewachsene zugewucherte Haut, einem Baum vergleichbar, der mit einem Efeu eine Jahrhunderte lange Symbiose eingegangen ist.
Wohnen ist viel privater und viel aussagekräftiger, als ich dachte. Irgendwie werden wohl alle Menschen schlafen, essen und arbeiten, meint man so landläufig. Aber im privaten Wohnbereich werden die allgemein gültigen Regeln außer Kraft gesetzt - das sind die Inspirationsquellen, die Tankstellen für innere Kraft. Dass es Frauenräume sind, macht die Sache doppelt interessant, denn Frauen wohnen definitiv anders als Männer. Irgendwie - schöner!


© by Christine Krokauer
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