1962 wird Johanna als gesundes Mädchen geboren. 1964 erfolgt
die Pockenimpfung. Das kleine Mädchen erkrankt infolge der Impfung an Encephalitis
und aus dem Leben des vormals gesunden Kindes wird das Leben eines Menschen mit
einer Behinderung. Johanna bleibt geistig auf dem Stand eines zwei- bis dreijährigen
Kindes stehen und lebt 38 Jahre lang innig geliebt und umsorgt im Kreis ihrer
Familie. Wer selbst in einer Familie mit einem behinderten Geschwisterteil aufgewachsen
ist wie ich, nimmt dieses Buch als ein großes Geschenk an. Es ist ein Dokument
tiefster Liebe zu einem Menschen. Nicht zu einem behinderten Menschen, sondern
zu einem besonderen Menschen. Johanna sieht die Welt mit ihren Augen, es ist eine
Welt der Töne, der Klänge, der minimalen Fortschritte. Das Buch legt Zeugnis ab
von vielen Tagen mit Johanna innerhalb der Familie, von ihrem Alltag, von ihren
Sorgen und Nöten und von der Tatsache, dass Johanna durch ihr So-Sein ihre Familie
dazu bringt, die Welt anders zu sehen. Es wird aber auch deutlich, wie anstrengend
so ein Leben sein kann - dauernd muss aufgepasst werden, dass Johanna nichts passiert
und was so eine permanente Anspannung auch bedeutet, weiß nur, wer es aus eigener
Anschauung kennt oder jemand, der dieses Buch aufmerksam liest.
Johanna kennt das Böse nicht, sie lebt ganz in der Harmonie und fordert das auch
von ihrer Familie - Harmonie, Ordnung und Liebe, der Kosmos, in dem sich Johanna
bewegt und der auch die Familie reich beschenkt, wenn sie sich auf die Koordinaten
des neuen Systems einlässt.
Tagebuchnotizen und Briefe an die Großeltern leiten das Buch ein. Wir Leser nehmen
teil an Johannas schwerer Erkrankung und erleben aus Sicht der Mutter mit, wie
sie um das Leben der Tochter bangt und wie sich Johanna im Folgenden entwickelt.
Die wachsende Familie macht es der Mutter unmöglich, weiter ausführlich Tagebuch
zu schreiben, doch Katharina, Johannas Schwester, nimmt sich für ihre Jahresarbeit
an der Waldorfschule die Betreuung ihrer Schwester vor. So begleitete sie ein
Jahr lang besonders intensiv und mit eigenen Ideen und Vorstellungen ihre Schwester.
Das Buch legt davon Zeugnis ab. In diesem Jahr hat Katharina sehr viele Facetten
aus dem Leben mit Johanna aufgezeichnet.
Die Aufzeichnungen, ursprünglich als Privatdruck gedacht, sind ein berührendes
Dokument einer Familie, die aus vollem Herzen die besondere Aufgabe dieses Lebens
angenommen hat. Nach Johannas Tod kann Vater Tobias Kühne in der Rückschau sagen:
"Wenn wir heute auf Johannas Leben zurückblicken, empfinden wir dankbar,
dass sie uns durch die Wärme ihres sonnigen Wesens viel mehr gegeben hat, als
sie je von uns erhalten konnte." Diesen Satz können mit Sicherheit alle Eltern
und Geschwister besonderer Menschen bejahen. Es ist ein unglaublich hartes Los,
den Alltag mit behinderten Menschen jeden einzelnen Tag und auch die Nächte durchzutragen.
Aber was auf der anderen Seite an Liebe, an Zuneigung, an die Welt hochwerfender
Freude, an Beseeltheit über die Familie wie ausgegossen wird, ist eine Lebenserfahrung,
die man wie einen Ritterschlag annehmen darf.
Besonders schön sind die eingefügten Bilder von Johanna, die ein paar Facetten
dieses ungewöhnlichen Menschen zeigen und den Leser durch die Lebensfreude Johannas
tief berühren.