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Andreas Rivoir:
Migräne.
aethera, 2002.
ISBN: 3-7725-5006-1
108 Seiten, EUR 12,90

Migräne – von manchen belächelt, von vielen Menschen aber gefürchtet als Gewitter im Kopf, als Schmerzanfall, von dem man sich Tage nur schwer erholt, ein Feind, der aus dem Hinterhalt angreift und einen lahm legt, den Alltag unmöglich macht.

Viele Menschen schlucken regelmäßig schwere Geschütze, um trotz ihrer Migräneerkrankung, so sie denn fachgerecht diagnostiziert und andere Erkrankungen ausgeschlossen wurden, ihren Alltag leben zu können. Die Warnungen der Dialysezentren, wonach viele Menschen durch Schmerzmittelmissbrauch von der Nierenwäsche abhängig werden, die Klagen, dass so viele Lebern aus eben diesem Grund schwer geschädigt werden, schlägt der Migränepatient, dem Raucher vergleichbar, gern in den Wind, zu grausam sind der Schmerz, die Übelkeit, das Aus-dem-Verkehr-gezogen-Sein. Die „Migräne loswerden", so schreibt der Autor Andreas Rivoir, der in der anthroposophischen Klinik in Öschelbronn als Neurologe tätig ist, ist der Wunsch vieler Patienten. Schmerzfreiheit ist das oberste Ziel. Ursachenforschung ist nicht so sehr en vogue. Die Schulmedizin forscht seit Jahrzehnten mit dem Ergebnis, dass immer neue, anders zusammengesetzte chemische Keulen auf dem Markt erscheinen, aber das Problem wird damit nur symptomatisch kuriert, nicht wirklich ergriffen.

Rivoirs Ratgeber ist eine Offenbarung für Leute mit Migräne. Er führt den Leser von Seite zu Seite tiefer in das Menschenwesen hinein, macht deutlich, wo Migräne oftmals herkommt, was sie für einen Sinn hat (das hat jede Erkrankung, aber bis zu dieser Erkenntnis muss man oft sehr schmerzhafte Wege gehen, ehe man „lernbereit" ist) und wie man mit ihr umgehen lernt. Was vor allem an Rivoirs Buch entscheidend ist: Der Patient wird ernst genommen, als mündiger Mensch betrachtet, dessen Aufgabe es ist, mit seiner Krankheit zurecht zu kommen. Er ist nicht dazu verurteilt, ein paar Pillen einzuwerfen und er ist gesund = symptomfrei, sondern es werden jedem Menschen zahlreiche Hilfen an die Hand gegeben, wie er sich seiner Krankheit nähert, sich mit ihr auseinandersetzt und arrangiert.

Im ersten Teil des Buches geht es um die Grundlagen der anthroposophischen Medizin, die vielen Menschen nicht vertraut ist, der zweite Teil ist dem Krankheitsbild der Migräne vorbehalten. Es folgt ein Therapieteil, der neue Wege aufweist. Er ersetzt nicht den Besuch beim Arzt, aber er zeigt eine Richtung, wie der Mensch durch sein eigenes Zutun und mit Unterstützung durch die Medizin, die für den Menschen und nicht gegen eine Krankheit geschaffen wird, gesunden kann. Lebensführung und Selbsterziehung stehen selten auf dem Rezeptblock der Schulmediziner, dabei kann man sagen, dass sie die Grundlage für jede Art von Gesundung, von Heil-Werden sind.

Das Buch ist übersichtlich gestaltet, Selbstmedikation ist deutlich gekennzeichnet und Fotos veranschaulichen das im Text Gesagte. Am Kapitelanfang steht jeweils eine Graphik von Thorsten A. Diehl, eine Metamorphosenreihe. Allein anhand dieser Bilder wird klar, dass sich alles entwickelt, auseinander hervorgeht und so ist es auch mit der Migränekarriere. Krankheiten zeigen uns: Hier ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Da hilft nur das Ausbalancieren und das bekommt man nicht mit einer Wunderpille in den Griff.


© by Christine Krokauer
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