Thomas Hardtmuth: Das verborgene Ich.
Amthor, 2003.
ISBN: 3-934104-09-6
115 Seiten, EUR 12,80
Der Mediziner Thomas Hardtmuth versucht in diesem Buch eine
menschenkundliche Annäherung an das Wesen der Krebskrankheit.
Er geht dabei von den naturwissenschaftlichen Grundlagen aus und zeigt, warum
der erkenntnistheoretische Ansatz festgefahren ist, und ein neuer Weg gefunden
werden muss, der ganzheitlich das individuelle Schicksal berücksichtigt und phänomenologisch
vorgeht. Er erläutert, warum man bei Krebs von einer Rhythmusstörung des Gesamtorganismus
sprechen kann, bei der das Ich als Dirigent neu die Führung übernehmen muss. Er
leitet her warum Fieber, Infektionskrankheiten und Wärme dem Krebs polar gegenüberstehen
und das Herz von ihm nicht befallen werden kann. Die bösartige Entwicklung stellt
er am Beispiel der Blutkörperchen dar: kommt es im zellbildenden Prozess zu einer
Erstarrung weil eine junge Zelle den Reifungsprozess nicht mitmachen kann, staut
sich der Zellzyklus und die Zelle wuchert. Anhand des Aufbaus der Zellen kann
Hardtmuth bis in Feinste hinein zeigen wie durch rhythmische Wärmeprozesse Impulse
aus dem seelisch-geistigen Bereich Einfluß auf die Eiweißstruktur nehmen. Je größer
die Reagibilität in diesem Bereich ist, desto größer fällt auch die Immunantwort
aus. Brechen diese immunologischen Vorgänge zusammen, stürzen die Pole sozusagen
ineinander. Das Herz als Ort des Rhythmus und der Wärme anzusprechen kann sowohl
dabei helfen den physischen Angriff auf die Selbstbestimmtheit wie auch im seelischen
den Verlust des Kohärenzgefühls wieder auszugleichen. Dabei tauchen Sinnfragen
auf, die bearbeitet sein wollen, denn die Psychoneuroimmunologie zeigt wie bedeutsam
ein positives Lebensgefühl und ein klares Lebensmotiv ist. Die Misteltherapie
kann durch gezielte Wärmeprozesse die Heilung unterstützen, doch zugleich müssen
im seelischen Bereich die gestauten Kindheitskräfte wieder beweglich gemacht werden
durch eine Haltung des Staunens, durch Begeisterung und indem das ergriffen wird,
was dem Menschen am Herzen liegt.
Dieses Buch richtet sich an alle, die mit der Krebserkrankung konfrontiert sind,
Betroffene wie Therapierende, doch darüber hinaus entfaltet es auch im Sinne der
Salutogenese eine prophylaktische Wirkung. Der Autor arbeitet als Chirurg und
hat sich bereits als Dozent auf dem Gebiet der anthroposophischen Medizin und
der Menschenkunde einen Namen gemacht. Mit seinem konzentrierten Schreibstil regt
er den Leser zu eigenen individuellen Gedanken und Überlegungen an, wobei eine
hohe Dichte an Denkanstößen entsteht. Durch das Einbeziehen philosophischer Gedanken,
primär von Gadamer und Frankl und durch seine fast poetische respektvolle Art
über das Leben zu schreiben bekommt der Text aber auch einen beschwingend weiten
Horizont.
Hardtmuth gelingt es, etwas im Leser anzustoßen. Er informiert nicht nur präzise
und leitet seine Thesen so gründlich her, dass sie klar einleuchten, er öffnet
diesem auch die Augen für zarteste physische und seelische Vorgänge, und läßt
ihn mit all seinen möglicherweise existentiellen Fragen nicht allein. Damit kann
ein Gesundungsprozess eingeleitet werden, der die Lebensqualität steigern und
vielleicht sogar Leben retten kann. Dieses ausgesprochen wertvolle und hochinteressante
Buch verdient einen großen Leserkreis.