LITTERULA ‑
REZENSIONEN von Dipl. Bibl. Ulrike Schmoller ‑
www.litterula.de
Gerhard
Bliersbach: Leben
in Patchworkfamilien. Psychosozial-Verlag,
2022.
ISBN:
978-3-8379-3200-3
201
Seiten, EUR 26,90
So
fröhlich bunt die Bezeichnung Patchwork klingt, so anstrengend und
turbulent ist die Lebenswirklichkeit in so einer neu zusammen
gewürfelten „Fortsetzungsfamilie“. Es ist wahrhaftig kein
Zuckerschlecken und eine immense Leistung aller Beteiligten, zu einem
neuen funktionierenden System zusammen zu wachsen. Die subtilen
Klippen, die diesen Anpassungsprozess erschweren, kennt Gerhard
Bliersbach aus eigener Erfahrung. Anhand seiner Musterfamilie
schildert er typische Alltagssituationen und Interaktionsmuster aus
der Sicht eines Stiefvaters, der nun mit den Söhnen seiner neuen
Frau und einer gemeinsamen Tochter unter einem Dach lebt. Dabei kam
es ihm allerdings lange so vor, als würde er auf einer anderen Etage
leben oder nur zu Besuch sein. Die Stimmung ist gereizt und die schon
kleinste unterschwellige Botschaft kann das Pulverfass zum Qualmen
bringen. Eifersucht, Rivalität, Grenzüberschreitungen oder
misslungene Absprachen zwischen altem und neuem System führen
unweigerlich zu Kränkungen und ambivalenten Affekten. Damit jeder
seine neue Position finden kann, müssen diese Gefühle
versprachlicht und verhandelt werden. Erst wenn die Trennung auch
emotional realisiert wurde, kann der alte Beziehungskontext durch
einen neuen ergänzt werden und eine Integration stattfinden.
Durch
die Lektüre kann man sich hervorragend in das komplizierte Gefüge
einer Patchworkfamilie einfühlen und daraus lernen. Betroffene
werden anhand der alltagsnahen und leicht lesbar beschriebenen Szenen
manches Aha-Erlebnis haben und selbst handlungsfähiger werden
können, weil sie vieles besser verstehen. Es ist zu schaffen, vor
allem, wenn man schon vorher weiß, was auf einen zukommen
wird.