LITTERULA ‑ REZENSIONEN von Dipl. Bibl. Ulrike Schmoller ‑ www.litterula.de © www.litterula.de
Grace

Paul Lynch:
Grace.

Freies Geistesleben, 2021.
ISBN: 978-3-7725-3022-7
550 Seiten, EUR 29,90

Nein, das Leben ist nicht freundlich zu Grace. Mit vierzehn wird sie von ihrer Mutter, kurz geschoren und in Männerkleidung, aus der Hütte im irischen Nirgendwo gescheucht, weil die Not groß ist. Das Verfaulen der Kartoffelernte im Jahr 1848 hat in Irland dazu geführt, dass die Menschen um ihr Überleben kämpfen. Ihr Bruder Colly, der sich Grace angeschlossen hatte, begleitet sie, wenig später allerdings nur noch in ihren Gedanken, mit seinen Kommentaren, Rätseln und Liedern. Grace schlägt sich irgendwie durch und hat dabei auch immer wieder Glück. Sie landet bei einem Viehtrieb und arbeitet beim Straßenbau, wobei sie immer verbergen muss, dass sie langsam zur Frau wird. In dem gehandicapten, aber integren und dennoch geschickten John Bart findet sie einen Gefährten, der sie rettet und begleitet. Doch der Hunger wird immer schlimmer und der Kampf der Menschen um das Allernötigste immer unbarmherziger. Wie weit darf man gehen um das eigene Leben zu retten?

Paul Lynch findet nackte und drastische Worte für die karge und unerbittliche Welt von Grace. Sie befreit sich aus der Unbewusstheit, scheut sich nicht vor rauen Aufgaben, stellt sich dem Leben und eignet sich eine dicke Haut an. Sie lädt Schuld auf sich und sieht dem Tod ins Auge. Auch wenn sie immer wieder daran zu zerbrechen droht, geht sie schließlich als starke Frau aus all dem Elend hervor.

Ein Wellness-Buch ist „Grace“ nicht gerade. Der Leser muss sich gleichfalls aus seiner Komfortzone heraus bewegen um Lynchs Sprachgewalt fassen zu können und sich auf ihre Ursprünglichkeit einzulassen. Das Leben ist bedrohlich und bedroht zugleich, es kann so unwirtlich und unbehaust sein und ist doch so zart. Dieses Buch erzählt von den Grenzen des Menschseins und dem Sieg über den Tod.

© by Ulrike Schmoller
www.litterula.de