Nein,
das Leben ist nicht freundlich zu Grace. Mit vierzehn wird sie von
ihrer Mutter, kurz geschoren und in Männerkleidung, aus der Hütte
im irischen Nirgendwo gescheucht, weil die Not groß ist. Das
Verfaulen der Kartoffelernte im Jahr 1848 hat in Irland dazu geführt,
dass die Menschen um ihr Überleben kämpfen. Ihr Bruder Colly, der
sich Grace angeschlossen hatte, begleitet sie, wenig später
allerdings nur noch in ihren Gedanken, mit seinen Kommentaren,
Rätseln und Liedern. Grace schlägt sich irgendwie durch und hat
dabei auch immer wieder Glück. Sie landet bei einem Viehtrieb und
arbeitet beim Straßenbau, wobei sie immer verbergen muss, dass sie
langsam zur Frau wird. In dem gehandicapten, aber integren und
dennoch geschickten John Bart findet sie einen Gefährten, der sie
rettet und begleitet. Doch der Hunger wird immer schlimmer und der
Kampf der Menschen um das Allernötigste immer unbarmherziger. Wie
weit darf man gehen um das eigene Leben zu retten?
Paul
Lynch findet nackte und drastische Worte für die karge und
unerbittliche Welt von Grace. Sie befreit sich aus der Unbewusstheit,
scheut sich nicht vor rauen Aufgaben, stellt sich dem Leben und
eignet sich eine dicke Haut an. Sie lädt Schuld auf sich und sieht
dem Tod ins Auge. Auch wenn sie immer wieder daran zu zerbrechen
droht, geht sie schließlich als starke Frau aus all dem Elend
hervor.
Ein Wellness-Buch ist „Grace“
nicht gerade. Der Leser muss sich gleichfalls aus seiner Komfortzone
heraus bewegen um Lynchs Sprachgewalt fassen zu können und sich auf
ihre Ursprünglichkeit einzulassen. Das Leben ist bedrohlich und
bedroht zugleich, es kann so unwirtlich und unbehaust sein und ist
doch so zart. Dieses Buch erzählt von den Grenzen des Menschseins
und dem Sieg über den Tod.