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Ein
Bündel Wegerich

Christa Ludwig:
Ein Bündel Wegerich.

Freies Geistesleben, 2018.
ISBN: 978-3-7725-3008-1
279 Seiten, EUR 22.--

Auch am Ende ihres Lebens ist Else Lasker-Schüler noch genau so unkonventionell, leidenschaftlich für das Gute engagiert, energiegeladen und mit ihrer eigenen Phantasiewelt verbunden wie in ihren jungen Jahren, freilich aber auch erschöpft und einsam mit ihren vielen Verlassenheiten. Da hilft es manchmal auch nicht, wenn ihre Freunde einen Helferdienstplan aufstellen, damit immer einer im Blick hat, ob sie gerade ihr Geld verschenkt oder durch ein Fenster steigt, um eine Einladung zu einer ihrer Lesungen abzugeben, aber auch um die schlimmen Nachrichten aus Deutschland von ihr fern zu halten. Sie, die sich immer der Gleichgültigkeit verwehrt hat, empört sich löwenmäßig darüber, dass Schiffe mit Flüchtlingen nicht an Land gelassen werden, so dass sich immer wieder unmenschliche Tragödien abspielen. Dann ist sie wieder ganz jung und spielt mit der zehnjährigen Meira mit bunten Glastieren. Aber was ihr am meisten am Herzen liegt ist ihr Wunsch, sich noch einmal zu verlieben und dadurch noch einmal Liebesgedichte schreiben zu können. Doch wer könnte der Richtige sein? Ihre Wahl fällt auf den Fast-Professor Ernst Simon, der zwar kein Tigerblut in sich trägt und so alt ist wie ihr Sohn, jedoch der passende Adressat für ihre reife Augen- und Herzensliebe ist. Für ihn schreibt sie ihren letzten Gedichtband „An ihn“. War sie eben noch betrübt darüber, dass jeder Mensch für sich alleine in seine Haut eingenäht wird, lässt sie sich nun ihre dünne alte Haut wie ein königliches Gewand aus Pergament von ihrem Geliebten beschreiben. Der Literaturstudent Tasso steht ihr die ganze Zeit hilfreich zur Seite und verarbeitet rückblickend die drei Kladden, die er von Else Lasker-Schüler erhalten hat. So stehen die Einträge aus den Kladden neben Tassos Berichten, immer wieder mit Originalzitaten der Dichterin versehen. Weder die Kladden noch Tasso hat es wirklich gegeben. Durch das Vermögen Christa Ludwigs, sich in Else Lasker-Schülers Wesen und ihre Sprache hinein zu fühlen und diese weiter zu führen, schafft sie ein vielschichtiges Lebensbild, das voller Intensität und Überraschungen steckt. Auf hohem sprachlichem Niveau verschränken sich die Gedichtzitate und belegten Fakten mit der Neuschöpfung der Autorin. 2019 erhielt Christa Ludwig den Eichendorff-Literaturpreis für dieses Buch.

© by Ulrike Schmoller
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