Christine Traber / Ingo Schulze: "Wirklich, wir können nur unsere Bilder sprechen lassen". Kunstgeschichten. Hanser, 2015.
ISBN: 978-3-446-24758-1
160 Seiten, EUR 19,90
Beim ausführlichen Betrachten eines Bildes beginnt man unwillkürlich darüber nachzudenken, was da dargestellt ist, was gerade geschieht und was der Maler und das Modell bei der Arbeit erlebt haben. Christine Traber und Ingo Schulze haben sich gezielt einige Werke vorgenommen und die Geschichten festgehalten, die sich bei ihnen eingestellt haben. Dafür haben sie ganz unterschiedliche Formen gewählt, etwa den Brief, den Dialog oder den Blickwinkel des Modells. Dadurch dass zuerst nur Ausschnitte gezeigt werden, fügt sich das Gesamtbild jeweils erst allmählich zusammen und der Blick richtet sich auf Details, die man sonst vielleicht gar nicht so intensiv wahrgenommen hätte. Die Auswahl der Bilder reicht vom Ende des 18. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie entführen den Betrachter und Leser in ganz unterschiedliche Welten, die naturgemäß allesamt in der Vergangenheit liegen, was im Sprachstil seine Entsprechung findet. Das ist in sich stimmig, im Hinblick auf die Zielgruppe der ab Zwölfjährigen allerdings nicht unproblematisch. Sowohl die Begeisterung für Kunst aus dem 19. Jahrhundert wie für die damaligen Lebenswelten inklusive des antiquierten Stils kann ich mir höchstens im ambitionierten Kunstunterricht vorstellen. Für Erwachsene hingegen halte ich die Idee und das Ergebnis für sehr gelungen und inspirierend. Wer sich auf die Bilder und Geschichten intensiv einlässt, findet so eine neue Herangehensweise an die Kunstbetrachtung, die sich lohnend auf weitere Werke übertragen lässt. Die Vormoderne erleichtert den Einstieg in die Phantasie durch ihren Naturalismus und ist insofern sinnvoll gewählt. Eine ausbaufähige Anregung für reifere Kunstliebhaber!