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Richard Scrimger:
Meine Seele ein Meer.

Urachhaus, 2012.
ISBN: 978-3-8251-7794-2
271 Seiten, EUR 18,90

Die Erzählzeit dieses Buches reicht von einem ärztlichen Test ihres Gedächtnisses bis zu ihrem Tod. Die erzählte Zeit umfasst ihr ereignisreiches ganzes Leben. Für Rose sind die Zeitebenen nicht mehr klar voneinander getrennt, sondern vermischen sich wie Wellen auf dem Meer, die sie unwillkürlich von einer Zeit in die andere tragen und ihr dadurch die Orientierung nehmen. Für den Leser ergibt sich durch die abrupten Wechsel, durch die immer wieder an einer anderen Stelle angeknüpft wird, schließlich ganz allmählich ein zusammenhängender Rückblick auf Roses Leben: Wie sie aufwächst, wie sie als Hausmädchen schikaniert wird, wie sie schwanger wird und mit Robbie, dem Sohn des Hauses, eine Familie gründet, ihre Arbeit im Blumenladen, in dem sie auch ihre Freundin Ruby kennenlernt, bis sie dann von ihrer Tochter Harriet in ein Altersheim gebracht wird. In ihren Erinnerungen ist Rose ganz präsent und sie kehrt meist gerne noch einmal dorthin zurück, während sie die Gegenwart überfordert und hilflos macht. Sie findet manches Wort nicht und erkennt auch ihre Tochter Harriet nicht immer wieder. Ihr Sterben erlebt sie wie ein Versinken im Wasser, das sie überflutet. Sie kann ihre Lebensgeschichte in größere Hände legen und schließlich findet ihr Schiff seinen Ankerplatz.

Richard Scrimger hat durch einen außergewöhnlichen Kunstgriff den Gedächtnisverlust als literarische Form eingesetzt und damit einen Roman geschaffen, der nachempfinden lässt, wie sich ein dementer Mensch fühlen mag. Dadurch dass er Rose selbst sprechen lässt, schafft er einen stimmigen Rahmen, der ihrer bruchstückhaften Art zu denken entspricht.

© by Ulrike Schmoller
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