Nicola Bardola u.a.: Wie Kinder Bücher lesen. Carlsen, 2020.
ISBN: 978-3-551-25267-8
208 Seiten, EUR 15.--
Die digitalen Medien haben unsere Gesellschaft
grundlegend verändert und damit auch die Freizeitgestaltung und die
Lernbedingungen der Kinder maßgeblich beeinflusst. Wie geht es der
zweiten Generation der „Digital Natives“, die aktuell heranwächst?
Sehen die Kinder noch ihre Eltern lesen? Lassen sie sich von dem Sog
der bequemen Unterhaltung mitreißen und greifen zur anstrengenderen
Lektüre? Gelingt es der Schule, ihnen ein ausreichendes Textverständnis
zu vermitteln? Welche Bücher interessieren Kinder und Jugendliche
wirklich? Was können Eltern und Lehrer tun, damit digitale und analoge
Medien sinnvoll nebeneinander genutzt werden können? Offensichtlich
entscheiden sich an der Fähigkeit erfolgreich und sinnverstehend lesen
zu können die Bildungskarrieren der Kinder. Während die Chancen auf
eine gute Ausbildung bei den funktionalen Analphabeten dramatisch
sinken, öffnen sich für die Lesenden alle Türen zur Bildung. Eine
gelingende Lesekarriere ist heute nicht mehr selbstverständlich. Dieses
Buch gibt Eltern, die sich dessen bewusst sind und bei ihren Kindern
die Lust am Lesen wecken wollen, einen praxisnahen Wegweiser an die
Hand. Die Auswirkungen der Mediennutzung werden realistisch, jedoch
ohne moralischen Zeigefinger und bis hin in die veränderten
Hirnstrukturen geschildert, wobei sich ein einigermaßen trauriges Bild
ergibt. Doch die Autoren, die sich im „Senter Kreis“ zusammen
geschlossen haben, geben das Fähnchen nicht aus der Hand. Allem
Pessimismus zum Trotz haben sie viele Ideen, wie die Freude am Lesen
hervorgekitzelt werden kann. Ein Zitat von Marie Schmidt könnte hierfür
den Leitsatz bilden: „Im chaotischen Alltag muss das Lesen deshalb
entsprechend chaotisch und respektlos angegangen werden.“ Comics statt
dem „guten Buch“, Serien mit geliebten Helden, anziehende Cover, viele
Illustrationen, eine großzügige Seitengestaltung, Leichtlese-Ausgaben,
Hörbücher und Sachbücher verleiten vielleicht doch zum Lesen und werden
von den Heranwachsenden gerne verschlungen, wenn ihnen die Erwachsenen
die freie Auswahl lassen. Ist die Lesetechnik nebenbei voran
geschritten, steht dem freiwilligen Griff zum preisgekrönten
Einzeltitel, zu den Klassikern der Kinderliteratur und zu dem
glücklichen Eintauchen in andere Lebenswelten nichts mehr im Wege. Als
Begleiter in schwierigen Zeiten können die Bücher dann auch bei der
Selbstfindung und dem Wachsen der Empathie helfen. Dieser Ratgeber
beherzigt seine eigenen Vorschläge und ist dementsprechend haptisch und
visuell angenehm zu lesen. Die Bilder von Regina Kehn sind witzig und
in den Grundfarben klar gestaltet. Mit ihren frechen Ansagen sprechen
sie nicht nur besser gestellte, ambitionierte Helikoptereltern an,
sondern auch die, die bereits „Überflieger“ sind. So bieten dieses Buch
wie auch die gesamte Leselandschaft viele verschiedene Zugänge zur
Literatur. Darin liegt die große Chance der Leseförderung.