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Piano Lessons

Anna Goldsworthy:
Piano Lessons.

Freies Geistesleben, 2018.
ISBN: 978-3-8251-5127-0
271 Seiten, EUR 24.-

Schaut man Anna Goldsworthy beim Klavierspielen zu (z. B. https://www.youtube.com/watch?v=UsmcZLa4jVk) fallen einem sofort ihre Hände auf, die völlig eins mit der Tastatur zu sein scheinen, spielerisch, leicht und ganz frei. „Das Instrument bist du“, sagte ihre Lehrerin Eleonora Sivan damals zu der neunjährigen Anfängerin Anna, worauf ihre bildhaft dargelegten Überzeugungen in den folgenden Jahren Anna in Fleisch und Blut übergingen. Wettbewerbe wurden als Übung und nicht als sportliche Wettkämpfe gesehen und Misserfolge als beste Lektionen darin, sich nie am äußeren Erfolg, sondern stets am ehrlichen Ausdruck zu messen. Das Hören vor dem ersten und nach dem letzten Ton, also das tanzen lassen der Phantasie vor dem Spielen und das Lauschen darauf, was die Töne hinterher sagen, die Geschichte, die erzählt werden sollte und der besondere Charakter eines Komponisten waren Inhalte der Klavierstunden, die Mrs. Sivan Anna wortreich und mit ihrem russischen Akzent vermittelte. So lernte Anna „ohne Make-up“ zu spielen und bei vollstem Verständnis für die einzelnen Passagen nicht nur einen Baum, sondern den ganzen Wald wahrzunehmen. Lange war sich Anna nicht sicher, ob „das Klavier sie tatsächlich wählen würde“ und sie Konzertpianistin würde. Sie schreibt nicht nur von ihren zahlreichen Preisen und Erfolgen sondern lässt uns in aller Bescheidenheit und Selbstironie auch an ihren Zweifeln und ihrem Wachsen teilhaben. Sie kann tatsächlich nicht nur Klavier spielen, sondern auch die richtigen Worte finden, um musikalische Prozesse auszudrücken. So ungewöhnlich die Lehrmethode Mrs. Sivans ist, so überzeugend und erfolgreich fordert sie ihre Schüler bis zum Äußersten, indem sie sie nicht etwas kopieren lässt, sondern sie in ihrer ganzen Persönlichkeit anspricht und „Leben unterrichtet“. Auch wenn sie den Samen der Begabung nicht legen kann, vermag sie doch sein Wachsen bestmöglich zu fördern. Anna erinnert sich präzise an viele weise Bemerkungen und lässt uns als Gast an ihren Klavierstunden teilnehmen, die die Qualität ihres Spiels nach langem Ringen so zauberhaft durchlässig machten. Sie hat eine Ode an ihre wunderbare Lehrerin geschrieben, die auch für den Leser zu einer Schule des Lebens und des Lehrens wird. Chapeau!

© by Ulrike Schmoller
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