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Ulrike Luise Keller:
Gerechte Noten gibt es nicht.

Via interna, 2012.
ISBN: 978-3-934278059
143 Seiten, EUR 16,90 (ab X J.)

Als Erziehungswissenschaftlerin konnte die Autorin sowohl in der Staatsschule wie auch als Klassenlehrerin an einer Waldorfschule Unterrichterfahrung gewinnen. Mit Leidenschaft vertritt sie ihre These, dass Noten nicht gerecht sein können und nicht geeignet sind, die Leistungen der Schüler sinnvoll zu spiegeln, sondern dass sie vielmehr dazu beitragen, dass Kinder zusehends die Freude am Lernen verlieren, da die Neugier an den Inhalten hinter ein äußerliches Ergebnis zurücktritt. In vier Realschulklassen führte sie eine kleine Meinungsumfrage durch, die dies bestätigt, die aber auch ergab, dass ein großer Teil der Schüler Noten gar nicht so schlecht findet. Dabei sind die Noten laut Keller keineswegs objektiv, sondern von den Rahmenbedingungen abhängig, und sie kann aus ihrer eigenen Tätigkeit berichten wie schwierig es ist, eine angemessene Note zu finden. Sie hat beobachtet wie das Ausleseprinzip zu psychosomatischen Störungen und Konkurrenzdenken innerhalb der Klassen führt. Dem Druck durch das Notensystem kann sich selbst das Lehrpersonal nicht entziehen.

Welche Möglichkeiten bergen dagegen die ausführlichen, in den Waldorfschulen üblichen Textzeugnisse, mit denen das Bemühen des Schülers ungleich differenzierter und an seiner Persönlichkeit orientiert charakterisiert werden kann! Seine Entwicklung kann über Jahre hinweg dokumentiert und ein gezielter Ansporn zum Weiterarbeiten gegeben werden. Durch viele Zeugnisauszüge bekommt man einen bildhaften Eindruck dessen, was ein Textzeugnis leisten kann. Als zweite sinnvolle Alternative führt Keller das Portfolio und das Arbeiten mit Kompetenzrastern zur Dokumentation von Lernprozessen an.

Es handelt sich um ein praxisbezogenes und von persönlichen Erfahrungen geprägtes Buch. Zahlreiche Beispiele und Erlebnisse machen es lebensnah, was aber etwas auf Kosten des Weitblicks geht. Die kleine Umfrage kann ihrem Umfang nach nicht als repräsentativ gewertet werden. Wer keine wissenschaftliche Arbeit erwartet, sondern aus erster Hand hören möchte wie sich das Lernen mit und ohne Noten anfühlt, kann sicher von diesem Buch profitieren. Auch für Berufsanfänger an Waldorfschulen kann es interessant sein, als Einstieg ins eigene Zeugnisschreiben einmal Kellers exemplarische Ausschnitte zu lesen. Insidern sei als weitergehende Lektüre zum Thema "Liebe, Krieg und Kommunikation" von Kilian Hattstein-Blumenthal empfohlen, in dessen Waldorfschule die Textzeugnisse erfolgreich durch Gespräche ersetzt wurden.

© by Ulrike Schmoller
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