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Jesper Juul:
Eltern-Coaching.
Beltz und Gelberg, 2011.
ISBN: 978-3-407-85920-4
272 Seiten, EUR 17,95
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In dem Buch "Elterncoaching" von Jesper Juul, einem erfahrenen und inzwischen weithin bekannten dänischen Familientherapeuten, kann man 18 Gespräche nachlesen, die er mit exemplarisch ausgewählten Familien geführt hat, die dringend Hilfe brauchten. Wutanfälle, Schlaflosigkeit, Unruhe, das ewige Streiten und die alltäglichen Machtkämpfe haben diese Eltern und Kinder so zermürbt, dass sie am Rand ihrer Kräfte sind. Es gelingt Juul im Gespräch jeweils rasch, das Wesentliche der Situation zu erfassen und den Eltern Verständnis zu zeigen. Die Kinder dürfen bei diesen Settings im Raum sein. Da alle Beispiele sehr persönlich und individuell sind, kann man manches auch überlesen, man wird aber im Ganzen recht gut mit Juuls Grundhaltung vertraut.
Immer wieder ermuntert er die Eltern, für ihr eigenes Wohlbefinden zu sorgen, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden können. Er macht ihnen deutlich, dass sie ihre Bedürfnisse den Kindern gegenüber äußern dürfen und ein Recht auf Schlaf und Zweisamkeit haben.
Er vermittelt ihnen, dass sie, statt sich mit Schuldgefühlen zu quälen, die Verantwortung und die Führung übernehmen und sich glaubwürdig verhalten müssen. Sie brauchen nicht perfekt zu sein aber ehrlich, und es geht nicht darum, seine Elternrolle gut zu spielen oder auf Teufel komm raus ein positives Vorbild abzugeben. Die Eltern müssen sich auch nicht immer einig oder sicher sein, er spricht von konstruktiver Unsicherheit. Es muss nicht immer harmonisch zugehen und auch negative Gefühle haben ihre Berechtigung. Die Eltern-Kind-Beziehung lebe von ständigem Feedback und sozialem Lernen. Eltern von "autonomen Kinder", die von Geburt an schon hoch integer sind und sich nicht manipulieren lassen, rät er, durch klare Ansagen in Ich-Form deutlich machen, was sie von ihrem Kind wollen und ihm dann einen Rahmen einzuräumen, innerhalb dessen es das Nötige tun kann.
Juuls Ansatz zeichnet sich durch großen Respekt den Kindern gegenüber aus. Sein Anliegen ist die Stärkung der Eltern und der Kinder, ihm sind Integrität, Würde und Beziehung wichtig. Damit bringt er durchaus frischen Wind in die Erziehungslandschaft.
Er baut stark auf die Präsenz des Erwachsenen und die gegenwärtige direkte Kommunikation mit dem Kind, meines Erachtens fehlt ihm aber die spirituelle Dimension der Waldorfpädagogik. Ob man so weit gehen muss, dass die Kinder bei den Coaching-Gesprächen anwesend sind? Auch bei einer Kinderbesprechung, bei der das Kind nicht dabei ist, kann man ja darauf vertrauen, dass im Geistigen etwas geschieht, und es einem danach anders entgegen tritt. Das Kind wie einen erwachsenen Freund anzusprechen, auch wenn es etwas überhaupt noch nicht verstehen kann oder es in Entscheidungen einzubeziehen, erscheint mit Blick auf die Wesensglieder als Überforderung. Natürlich spürt das Kind dabei die Intention und die Gestimmtheit des Erwachsenen, das tut es aber auch, wenn dieser sich in aller Stille mit dem geistigen Wesen des Kindes verbindet.
Alles in allem ist Elterncoaching ein interessantes Buch mit hohem Praxisbezug. Wer einen ersten konzentrierten Überblick über Jesper Juuls Methode wünscht, ist vielleicht mit einem seiner anderen Bücher besser beraten, das nicht in Gesprächsform aufgebaut ist.