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Michel Delagrave:
Pubertät - eine Gebrauchsanweisung.

Herder, 2007.
ISBN: 978-3-451-05831-8
158 Seiten, EUR 8,90

Eine Gebrauchsanweisung für Kinder in der Pubertät? Wohlwissend, dass es so etwas nicht ernsthaft geben kann, wendet sich der kanadische Psychotherapeut Michel Delagrave mit diesem Ratgeber gerade an jene Eltern, die einen besonders großen Orientierungsbedarf haben, da sie einen spürbaren Autoritätsverlust bei ihren Kindern erlitten und demzufolge die Kontrolle über sie verloren haben. Sein Anliegen ist es, die Eltern soweit zu stärken, dass sie ihrer Erziehungsaufgabe wieder nachkommen und die Ohnmacht überwinden können, die der Einbruch ihres elterlichen Selbstverständnisses ausgelöst hat. Nach einem Abriss über die Veränderungen, die der Jugendliche in der Pubertät durchmacht und die damit verbundenen Entwicklungsschritte, betont er, wie wesentlich Freunde und Cliquen für die Sozialisation des Heranwachsenden sind, der lernen muss vom Aufgehen in den Normen der Gruppe zu einer eigenen Position innerhalb der Gemeinschaft zu finden. Im zweiten Teil geht er darauf ein, wie Eltern Disziplin schaffen, Grenzen setzen und Konsequenzen durchhalten können. Dabei liegt ihm daran, Schuldzuweisungen zu vermeiden und diese durch das Übernehmen von Verantwortung und ein bewußtes Handeln zu ersetzen. Auch Jugendliche brauchen Hausregeln, Anforderungen,gute Umgangsformen und gegebenenfalls Strafen, damit sie nicht zu Tyrannen werden Fatal wirkt es sich aus, wenn Eltern aus Angst vor den Wutanfällen ihrer Kinder und vor dem Verlust ihrer Zuneigung, alles tun, um diese vor Ärger zu bewahren und unmittelbar alle ihre Bedürfnisse befriedigen. Die verbreitete Praxis, die Kinder wie kleine Erwachsene zu behandeln, führt zu der falschen Annahme, sie wären aus sich heraus in der Lage, sich selbst zu disziplinieren. Delagrave zeigt konkret auf, wie klare, stimmige Regeln aufgestellt werden können und wie diese konstant und folgerichtig umgesetzt werden können. Werden diese nicht eingehalten, erfolgt die angekündigte angemessene Einschränkung der Rechte des Jugendlichen. In seinen Elterngruppen hat er ein Programm, das "Tough Love" genannt wird, erfolgreich eingesetzt, um Eltern wieder zu einer Position zu verhelfen, die sie über ihre Kinder stellt und ihnen ihre eigenen Rechte und Gefühle bewußt macht. Es geht darum, "offen, authentisch und beschützend zu sein, ohne das Kind inWatte zu packen".

Dieses Taschenbuch ist tatsächlich im Stil einer Gebrauchsanweisung verfasst, eingängig, einfach zu verstehen und deutlich in seinen Aussagen, dabei aber auch oberflächlich und undifferenziert. Meines Erachtens verkennt Delagrave das Konzept der "Familienkonferenz" von Thomas Gordon, wenn er es mit der antiautoritären Erziehung zusammenwirft und es damit gleichfalls für die seit damals zu beobachtende Schwächung der Elternrolle verantwortlich macht. Des weiteren kommt er mit seinen Ratschlägen im Jugendalter zu spät, sondern müsste sich bereits an Eltern mit Kindern im zweiten Jahrsiebt wenden. Freilich erreicht er sein Ziel, den Eltern den Rücken zu stärken, doch ist zu befürchten, dass diese, zumal wenn ihren Heranwachsenden bislang die Grenzen gefehlt haben, mit Delagraves Ansatz nur Bockigkeit ernten. Hier müßte er seine durchaus erfolgversprechende klare Linie mit offenen Gesprächsformen verbinden wie eben dem aktiven Zuhören oder der gewaltfreien Kommunikation. Auf die Beziehungsebene geht er leider nur ansatzweise ein. So bleibt es ergänzungsbedürftig und kann nur mit Vorbehalt empfohlen werden


© by Ulrike Schmoller
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