Donata Elschenbroich: Weltwissen der Siebenjährigen. Goldmann, 2002.
285 Seiten, EURO 9,90
Die Welt entdecken, auf den verschiedenen Wegen des Lernens - die Entdeckungen, also das Gelernte in sich beheimaten, sich die Welt zu eigen machen – wie geht das? Kann das eine Frage sein? Wir wissen es doch – das Kind ist ein „geborener Lerner" (S.9), voller Neugier und Aktivitätsdrang, unermüdlich, der „fragende Mensch" schlechthin, so wissbegierig und lernfreudig – nicht wahr? Dass eben dieses Kind den Fernsehapparat als Weltvermittler kennt und schätzt, dass die Litanei des täglichen Fragebogens „Hast du schon Vokabeln gelernt? Geige geübt? Das Kaninchen gefüttert?" früher oder später zum erzieherischen Standardritual gerät, dass Naturwissenschaften aus der anfänglichen Neugier zu den ungeliebten Fächern mutieren – dies und vieles mehr lässt uns unerschüttert in unserer Überzeugung, dass das Kind aus sich heraus die Welt sucht und erkundet, also lernt. So können wir es zumindest in den ersten Jahren, auch noch den ersten Schuljahren, beobachten. Nur hält hier etwas nicht, was es verspricht.
Das vorliegende Buch geht diesen Fragen nach. Grundlage ist eine dreijährige Recherche mit über 150 Gesprächen. Die Vielfalt der Gesprächsteilnehmer ist überzeugend, sie alle bringen sich selbst mit, indem sie die Frage umkreisen: Was sollte heute ein Kind in den ersten sieben Lebensjahren wissen, können, erfahren haben? Womit sollte es zumindest in Berührung gekommen sein?
Die Wunschliste, die aus diesen Gesprächen entstand, ist vielstimmig und vielschichtig. Und ungemein anregend – zum freudigen Bejahen ebenso wie zum irritierten Stirnrunzeln. Letzteres mag sich dann bei fortgesetzter Betrachtung als besonders anregend erweisen. Auch die Wiedergabe einiger Gespräche ergibt eine Fülle von Denkanstößen, wie auch der Bogen, den die Autorin von der Anknüpfung an den Orbis Pictus von Comenius über den gesellschaftlichen Stellenwert von Kindheit bis zur frühen Pädagogik in anderen Ländern schlägt.
Dabei ist kein Bildungskanon für die Vorschulzeit entstanden, der via Häkchen abzuarbeiten wäre, keine „Soll-Pädagogik" (S.48). Dafür ist der Autorin das Komplexe des heute möglichen Weltwissens zu bewusst und auch dies: „Wissen heißt nicht, über etwas viel reden, sondern etwas tun zu können". Wer aber neugierig fragend mit Kindern lebt und arbeitet, also Eltern, Erzieher, Lehrer, dem sei dieses Buch sehr empfohlen, das in einem erstaunlich literarischen Stil Themen der Kindheit umrundet. Und dabei beides, die Welt und das Kind, in einem sympathisch offenen, differenziert positiven Sinn betrachtet.