Hat das Buch noch eine Chance
angesichts des Siegeszuges der elektronischen Medien? Lesen Sie noch im Gedränge
des modernen öffentlichen Nahverkehrs? Und was ist mit den unzähligen Stunden
auf der Autobahn oder als allein erziehendes Elternteil nach der Arbeit beim
nächtlichen Bügeln? Und überhaupt: ist es nicht sowieso am schönsten, vorgelesen
zu bekommen?
Hörbücher können eine wunderbare Ergänzung zum gedruckten Wort sein. Ungekürzt
werden Werke der ernsten und der Unterhaltungsliteratur auf CD oder Kassette
mit namhaften Sprechern eingespielt und haben längst erfolgreich das Nischendasein
als Leseersatz für Blinde und Hochbetagte hinter sich gelassen.
Der Kriminalroman „Endstation Venedig" von Donna Leon ist ein gutes Beispiel
für ein gelungenes „Hörbuch". In dem 1993 unter dem Titel „Death in a Strange
Country" veröffentlichten Roman bringt der venezianische Commisario Brunnetti
Licht in den Mord eines jungen Amerikaners und damit in ein ganzes Geflecht
an kriminellen Machenschaften, nur um festzustellen, dass angesichts seines
einfältigen und obrigkeitshörigen Chefs und der Einflusssphäre „gewisser Freunde"
die Bestrafung der Schuldigen letztlich nicht möglich ist.
Donna Leon verschmilzt Umweltverschmutzung, internationale Politik und mafiöse
Geld- und Machtgier zu einem vielschichtigen und zeitgenössischen Plot, der
in die betulichen Ruhe des Lebens in der Lagunenstadt eingebettet ist. Dabei
gewinnt die Handlung vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Kritik an den Vereinigten
Staaten und ihrer Außen- und Umweltpolitik zusätzliche Aktualität.
Die etwas langatmigen und detaillierten Darstellungen der Mahlzeiten und besonders
die vielfältigen Kaffee-Rituale mögen nicht jedermanns Geschmack sein. Auch
die nicht immer überzeugende Emphase, mit der die eine oder andere Stelle vom
Leser Christoph Lindert gesprochen wird, mag etwas unpassend erscheinen. Insgesamt
tut dies jedoch keinen Abbruch an dem spannenden und uneingeschränkt empfehlenswerten
Hörbuch.