Mit seinem Buch Das Geheimnis des Weinbergs"
hat Frédéric Lenoir einen beeindruckenden Erstling vorgelegt.
Friedrich Schoenfelder ist genau die richtige Stimme, um sich ein verregnetes
Wochenende und einen Riesenurlaubsstau zu wünschen. Binnen Minuten verschwindet
man ein einer genau und ausgesprochen gekonnt beschriebenen Welt in ein kleines
Kaff in Südfrankreich. Pierre Morin ist ein Sonderling in der homogenen
Dorfgesellschaft, in der jeder seinen angeborenen Platz hat. Seine Mutter, die
Witwe genannt, und er, ihr seltsamer Sohn, sind nicht selten Gesprächsthema
Nummer 1 im Ort. Von Kindesbeinen an zieht Pierre Morin die Natur der Gesellschaft
von Menschen vor und seine Erfahrungen mit diesen Menschen bestätigt die
Richtigkeit seiner Entscheidung.
Was Lenoir mit dem Leser macht, ist hohe Kunst des Erzählens. Die Spannung
ist mit einem Mal da, mitten in der Schilderung von Morins Kindheit macht es
Klick" und ab da ist der Leser gefangen, der point of no return ist
schnell erreicht und nun schafft es Lenoir, das Spannungslevel permanent oben
zu halten.
Immer, wenn man denkt, jetzt könne man sich ein wenig erholen und nebenbei
was anderes machen, packt er einen aufs Neue mit noch unerhörteren Steigerungen
und man vergisst alles um sich herum. So bleibt das drei CDs lang und Schoenfelder
bezirzt, brummt, klagt, geheimnist, kreischt und berichtet, dass man sitzen
bleibt auf dem staubigen Dorfplatz und das ganze Geschehen direkt miterlebt.
Dass Lenoir auf den letzten Seiten dann, als man es kaum mehr aushält,
hinter das Geheimnis des Weinbergs zu kommen, ein etwas schlappes Geheimnis
enthüllt, ist nicht wirklich ein Drama. Nach über 200 hochspannenden
Minuten verzeiht man das gern.