Georg Dreißig: Simsala und Herr Oküpokü.
Urachhaus, 2003.
220 Seiten, EUR 13,50 (ab 6 J.)
Vor jeden Ferien stehen wir vor der Frage: was soll unser Vorlesebuch sein? Wir hatten u.a. schon Räuber-Hotzenplotz-Ferien, Bullerbü-Ferien, Pu-der-Bär-Ferien und Paddington-Ferien, in denen uns eine Figur durch die ganze Urlaubszeit begleitet hat, mit einem oder mit mehreren Bänden. So bekam die gemeinsame Zeit jeweils eine besondere Prägung, die in der Erinnerung mit dem Buch und seinen Helden verknüpft ist. Es ist etwas sehr Schönes, sich so mit einer Geschichte zu verbinden und ich glaube diese Konzentration tut den Kindern auch gut.
In der Fachliteratur werden Identifikationsfiguren, die gezielt auf den Medienmarkt geworfen werden, „character" genannt. Von der Biene Maja bis zu Petterson und Findus werden sie als Merchandising-Artikel ausgeschlachtet, bis sie in jedem Kinderzimmer präsent sind. Wer nicht aufpasst , ist ruck-zuck überschwemmt (und die Kinder versuchen sich an der Oberfläche über Wasser zu halten).
Und nun schwebt eine grüne Gartenbank herein, auf der ein sehr dicker gemütlicher Herr sitzt, der einen Zaubererhut auf dem Kopf hat und daneben sitzt ja ...juhe: Simsala. Der dicke Mann mit den löchrigen Pantoffeln ist Herr Oküpokü, Onkel Pierre, ein alter Freund seines Vaters, mit dem Simsala auf dem Weg nach Paris ist. Er liebt Schokoladenpudding, isst sieben Honigbrötchen zum Frühstück und läßt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Natürlich machen die beiden in Heitersdorf halt, denn Simsala hat große Sehnsucht nach seinen alten Freunden seit er nicht mehr in die Schule gehen darf, doch die Klasse 1a ist wegen Windpocken geschlossen. Prompt steckt sich Simsala auch an als sie Ruth zu Hause besuchen, wodurch die beiden erfahren, warum Windpocken so lehrreich sind (das verrate ich hier nicht!). Onkel Pierre wird inzwischen festgenommen und richtet sich erst im Gefängniszellenspind und dann in Ruths Besenkammer eine fürstliche Wohnung ein, in der sogar die ganze Klasse 1a Platz hat. Doch für Simsala und Ruth ist es nicht ganz so einfach: warum verschwinden die Sachen, die sich Ruth über die Schulter wirft tatsächlich wie bei echten Zauberern? Wer ist Simsalas Mutter? Wieso scheinen sich Frau Reiter und Herr Bim zu kennen? Was hat es mit dem Fläschchen Vergißmeinnichttrunk auf sich, den Frau Reinicke beim Putzen findet?
Am Ende fügen sich alle einzelnen Handlungs-Fädchen auf wunderbare Weise zu einem dicken Strick zusammen, der hält was er verspricht.
Simsala, seine Freundin Ruth und sein dicker Onkel Pierre sind genau solche langlebigen „character", die man noch als Erwachsener mit „Kindheit" verbindet. Lustig, spannend, ideenreich und im Tonfall gerade richtig für Sechs- bis Neunjährige ist der neue Simsala wirklich ein Glücksfall. Die Ferien sind gerettet!