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Amy und die geheime Bibliothek

Alan Gratz:
Amy und die geheime Bibliothek.

Hanser, 2019.
ISBN: 978-3-446-26211-9
244 Seiten, EUR 15.- (ab 10 J.)

In Amys Familie achtet keiner besonders auf deren Interessen und Wünsche. Ständig muss sie ihren kleinen Schwestern zuliebe auf etwas verzichten oder ihnen Platz machen. Kein Wunder, dass die Bibliothek ihr Lieblingsort ist, denn nur da hat sie wirklich Ruhe und kann sich dem Lesen widmen. Doch eines Tages darf sie ihr Lieblingsbuch nicht mehr ausleihen, weil es vom Schulausschuss zensiert wurde. Amy versteht die Welt nicht mehr und möchte auf Anraten der Bibliothekarin Mrs. Jones im Schulausschuss vorsprechen, doch dann traut sie sich doch nicht, das Wort zu erheben. Statt dessen beginnt sie eine geheime Bibliothek in ihrem Spind aufzubauen, in der ihre Mitschüler die Bücher von der Verbotsliste ausleihen können, die nun natürlich erst richtig interessant werden. Es wird eifrig über die Inhalte diskutiert und ein Buchklub gegründet, der eigene und gespendete Bücher in Umlauf bringt, ständig mit der Gefahr des Auffliegens und der Suspendierung im Nacken. Die Gruppe erfindet sogar Scheinumschläge damit die echten Bücher nicht entdeckt werden, inclusive selbst erdachter Titel und eigens gemalter Cover von Trey, dem Sohn der Leiterin des Schulausschusses. Doch kann Amy ihm wirklich trauen?

Das Buch ist herrlich old-fashioned und lässt jeder Bibliothekarin das Herz höher schlagen. Smartphones kommen in der Geschichte praktisch keine vor, die Gefahr wird tatsächlich in den Büchern und deren Inhalten gesehen. Sind wir über diese moralische Diskussion nicht seit den 1950er Jahren hinweg, dass Kinder vor Schmutz und Schund bewahrt werden müssen? Das Thema Zensur ist allerdings in vielen Ländern der Welt keineswegs aus der Zeit gefallen und hoch aktuell. Es ist ermutigend zu lesen, wie das blasse Mauerblümchen Amy über sich hinaus wächst und die Kinder mit ihrer subversiven Frechheit zusammenhalten und sich für eine vielfältige Auswahl an Literatur und die freie Meinungsbildung einsetzen. Sie finden eine verblüffende Lösung. Schön sind die vielen Buchtitel, die am Rande in der Geschichte vorkommen und ihrerseits neugierig machen. Ein zeitloser Lieblingstitel für Leseratten jeden Alters. Möge es weiterhin Bibliotheken geben, in denen der Freigeist wohnt und jeder nach seinem Gusto seine Wahl treffen kann!

© by Ulrike Schmoller
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