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Jennifer L. Holm:
May Amelia.
Dressler Verlag, 2001.
224 Seiten, EUR 12.-- (ab 12 J.) |
Mit ihren nicht ganz sauberen Latzhosen könnte man die
zwölfjährige May Amelia glatt für einen Jungen halten, besonders
wenn sie gerade von einem Baum geklettert ist, vom Schafe hüten kommt oder
den Holzfällern bei der Arbeit hilft. Zu diesem Zweck hat sie sich sogar
von ihrem Bruder die Haare abschneiden lassen. Wenn sie einem Puma begegnet oder
in den Fluß fällt, ist es sicher gut, dass sie keine Kleider trägt.
Und schließlich ist es auch kein Wunder, dass sich May Amelia nicht wie
ein Mädchen verhält, wo sie im ganzen Naseltal das einzige ist und mit
sieben Brüdern aufwächst. Ihrer erschöpften schwangeren Mutter
muss sie viel Arbeit abnehmen, ihr Vater ist streng und die garstige Großmutter
schikaniert sie, wo sie nur kann. Als ihre kleine Schwester Amy geboren wird,
übernimmt May deren Fürsorge und kümmert sich Tag und Nacht um
sie. Doch das Baby stirbt nach wenigen Monaten und May bricht vor Kummer und Schuldgefühlen
fast das Herz. Sie flüchtet zu ihrer Tante in die Stadt bis die Großmutter
gestorben ist. Alle sind froh als sie zurückkehrt, denn schließlich
ist sie ja die einzige May Amelia, die sie haben.
Jennifer L. Holm hat die Tagebuchaufzeichnungen ihrer Großtante
in einen liebenswerten Roman verwandelt. Das Leben der finnischen Auswanderer
im Nordwesten Amerikas vor hundert Jahren wird hier lebendig, vom Lachsauflauf
bis zum Baden im Fluss. Es sind die schlichten Alltagsbegebenheiten und die
echten Personenbeschreibungen, die die Anziehungskraft dieses Buches ausmachen.
Ob sich May nur mit ihrem Vetter Kaarlo streitet oder ob sie wieder einmal aus
lauter Übermut in Lebensgefahr gerät, der Leser steht nah bei ihr
und möchte diesen Platz auch nur ungern verlassen. Eine faszinierende Lebensgeschichte,
die nicht künstlich aufgebauscht wirkt, sondern wirklich authentisch ist
und in die man sich so richtig einleben kann. Eigentlich schade, dass sie nicht
ausgedacht ist, dann könnte man auf eine Fortsetzung hoffen...