Die Brücke am Mississippi. Mildred Taylor:
Die Brücke am Mississippi.

Verlag Freies Geistesleben, 1998.
64 Seiten, DM 19,80 (ab 9 J.)
Es regnet ohne Ende. Der zehnjährige Jeremy sitzt unter der Veranda des Dorfladens und sieht zu wie sich die Fahrgäste sammeln, die mit dem wöchentlichen Bus fahren möchten. Als er ankommen, gehen die Farbigen zu den hinteren Plätzen, durch wie sie es gewohnt sind. Doch plötzlich taucht noch eine mehrköpfige weiße Familie auf, obwohl der Bus voll besetzt ist. Der Fahrer weist die Farbigen barsch an, wieder auszusteigen, was diese schließlich auch tun. Die Großmutter der Logans verläßt den Bus erhobenen Hauptes, als sie hinausgewiesen wird. Der junge Josias hingegen weigert sich, den Weißen Platz zu machen und wird vom Fahrer mit einem Fußtritt auf die matschige Straße befördert. Für Jeremy bedeutet das Nichtmitfahrenkönnen den Verlust der langersehnten Arbeitsstelle. Er ist betroffen über die Demütigungen, die den Schwarzen immer wieder zugefügt werden. Als der Bus abfährt, eilt er Josias hinterher. So stehen beide nahe bei der Brücke, als das vollbeladene Fahrzeug auf den morschen Dohlen ins Rutschen kommt und in die tosenden Wassermassen des Mississippi stürzt. Auch Jeremys geliebte Lehrerin und deren kleine Enkelin sind unter den Opfern des tragischen Unfalls. "Die Wege des Herrn sind unergründlich", antwortet Josias auf das "Wieso?" des Jungen.

Mildred Taylors Erzählung "Die Brücke am Mississippi" erinnert an "Die Brücke von San Luis Rey" von Thornton Wilder. So schmal das Büchlein erscheint, wirft es doch viele tiefgehende Schicksalsfragen auf und berührt einen durch die Dichte der Geschehnisse. Die fast fotographischen Bleistifizeichnungen unterstreichen das Erzählte sehr überzeugend bis in die Mimik der Gesichter hinein. Es ist fast unvorstellbar, wie damals mit den Farbigen umgesprungen wurde und mit weichem Gleichmut diese die Erniedrigung hinnahmen. In "die Brücke am Mississippi" stellen nur die Kinder die Abgrenzung der Rassen in Frage, wofür sie sofort gerügt werden. Der erschütternde Unfall birgt die Chance zu einem Aufbrechen alter Verhaltensmuster, am Mississippi wie im Herz des Lesers.

© by Ulrike Schmoller
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