Georg Dreißig: Wenn ich König wär.
Verlag Urachhaus, 2001.
110 Seiten, DM 24,80 (ab 5 J.)
Den Sonntag mag ich eigentlich gar nicht so. Da ist kein Kindergarten
und mittags gibt es immer so Bio-Fleisch, das man so lange kauen muss. Und das
gemeinste ist, dass meine großen Geschwister am Vormittag immer in die Kinderhandlung
gehen dürfen und ich darf noch nicht mit, weil ich erst fünf bin. Aber
etwas Schönes gibt es am Sonntag doch, wo ich mich immer ganz arg drauf freue:
da setzt sich die Mama oder der Papa mit mir auf's Sofa und liest mir eine Sonntagsgeschichte
vor aus dem Buch, wo der Königsjunge vorne drauf ist, der auf dem Adler fliegt.
Meine Lieblingsgeschichte ist die von den Wassertropfen, die sich im Advent ein
weißes Festgewand anziehen, um die dunkle Erde licht zu machen. Und als
wir von Ruth gelesen haben, die zwar krank in ihrem Zimmer liegen muss, es aber
jederzeit in Gedanken durch ihre Tapetentür verlassen kann, da habe ich mir
auch so eine Tür gemalt. Erst hat die Mama ja furchtbar geschimpft...Es gibt
aber auch noch viele andere Geschichten, je nachdem welche Jahreszeit gerade ist,
zum Beispiel vom Christkind, von der Sonne, den Blumen und von Menschen, die auf
einmal merken wie sie gut sein können. Mir wird beim Zuhören immer ganz
feierlich ums Herz und beim Spielen fällt mir die Geschichte dann oft wieder
ein. Manchmal setzt sich sogar mein ganz großer Bruder mit einem anderen
Buch ins Wohnzimmer, aber ich habe das Gefühl er liest gar nicht, sondern
hört heimlich zu. Mama, wieviel Tage sind es noch bis zum nächsten Sonntag?