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Bodil Bredsdorff:
Unter Brüdern.

Urachhaus, 2009.
ISBN: 978-3-8251-7669-3
100 Seiten, EUR 12,90 (ab 11 J.)

Für Martin ist es hart, dass er umziehen muss. Er verliert nicht nur alle seine Freunde, sondern muss auch den sozialen Abstieg seiner Familie miterleben, die nun in einem abgelegenen Haus am Fjord wohnen muss, in dem es statt eines Badezimmers nur ein Waschhaus mit einem Holzkessel gibt. Sein Vater ist zuversichtlich, dass er als Kunstmaler Erfolg haben wird, doch die wirtschaftliche Anspannung liegt wie ein Schatten über seinen Eltern und bringt sie zum Streiten. Die - so schätze ich einmal - 50er Jahre sind in Dänemark eine karge Zeit, in der billige Heringe gegessen werden und oftmals die Fäuste regieren. So muss sich Martin gegen die Fischerjungen aus seiner Klasse zur Wehr setzen, die ihn in die Mangel nehmen. Noch schlimmer ergeht es allerdings Martins Nachbarsjungen HP, der die Prügel von seinem trinkenden Vater einstecken muss. Zwischen Martin und HP entwickelt sich eine ruhige, verlässliche Freundschaft, wie sich auch die beiden Familien immer mehr miteinander verschränken und füreinander einstehen. Während die Frauen für den Familienunterhalt sorgen, treten die Väter nur schwach in Erscheinung, der eine als erfolgloser Maler, der andere als Trinker, der einen Schlaganfall erleidet. In ihrem Zusammensein finden die beiden Jungen eine alles andere überstrahlende Sicherheit, die sie die Gewalttätigkeiten nicht mehr hinnehmen lässt und die sich in dem einsetzenden finanziellen Bessergestelltsein spiegelt. Selbst das Verschwinden der Väter kann ihr Glück nicht aus dem Gleichgewicht bringen.

Bodil Bredsdorff schreibt wohltuend ballastfrei und auf das Wesentliche konzentriert: die Begegnungen der Menschen und ihr Erleben stehen im Vordergrund, ob das eine Prügelei auf dem Schulhof oder der Genuss eines warmen Bades ist. Unter einfachen Lebensbedingungen ist für Schnick-Schnack kein Platz, für elementare Freude aber sehr wohl. Die Dänin bläst uns den salzigen Seewind in die Nasen, lässt uns den Hering schmecken und versetzt uns direkt in das eiderentenfarbige Wohnzimmer an der Küste, in dem die Möwenbilder an den Wänden hängen.

© Ulrike Schmoller
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