Joey.

Jack Gantos:
Joey, ab durch die Mitte.

Cecilie Dressler Verlag.
168 Seiten, DM 19,80 (ab 12 J.)

"Ich könnte ihn hinter die Tapete kleben!" sagen die Niederländer, wenn sie ein Mitmensch zur Weißglut bringt. Diejenigen, die ein hyperaktives Kind zu betreuen haben, werden diesen Zustand kennen. Die Geduld ist zu Ende, die Grenze der Kraft erreicht und das Verständnis für das Kind will neu errungen werden. Was mag bloß in seinem Inneren vor sich gehen? Was hat es sich dabei wieder gedacht? Warum kann es sich nicht an die Regeln halten, die es doch schon so oft gehört hat? Wie erlebt es die Reaktionen seiner Umwelt? Ist ihm sein Verhalten eigentlich bewusst oder nicht? Mit seinem Kinderbuch "Joey, ab durch die Mitte" versucht Jack Gantos, sich in ein hyperaktives Kind hineinzuversetzen und die Welt mit dessen Augen zu beschreiben. Das Ergebnis ist eine Geschichte, die zwar fiktiv, aber dennoch in vielem beispielhaft ist, eine Annäherung an dieses aktuelle Thema auf literarischem Wege, die auf ihre Art zum Verständnis des Aufmerksamkeits-Defizits-Syndroms beitragen kann. Joey steht ständig "unter Strom", flitzt voller Energie herum und macht einen Unsinn nach dem anderen. Bislang wurde er von seiner Großmutter versorgt, die gleichfalls einen Hang zum Chaos hat und restlos überfordert mit ihm war. Glücklicherweise ist nun seine Mutter zurückgekehrt, die ihm mit geordneten Verhältnissen und Zuwendung zu helfen versucht. Seine Lehrerin bemüht sich geduldig um ihn, kann jedoch nicht verhindern, dass Joey durch sein untragbares Verhalten in die Sonderklasse kommt und schließlich, nachdem er einen Unfall verursacht hat, in einer Erziehungseinrichtung behandelt werden muss. Durch die durchgeführte Therapie und nicht zuletzt durch die richtige Medikation scheint für Joey ein neuer Anfang möglich zu werden. Das Buch ist in der Ersten Person geschrieben, schildert also unmittelbar Joeys Erleben: sein völliges Aufgehen in der Gegenwart, das Angetriebenwerden von innen heraus, seine Ablenkbarkeit, sein Unvermögen Gefahren einzuschätzen - aber auch seine Verzweiflung darüber ausgegrenzt zu werden, seine wachen Antennen für seine Umgebung, sein Bemühen gut zu sein und doch immer wieder anzuecken.

Zwischen den Zeilen schimmert etwas von Joeys Kern hindurch, von dem was er eigentlich ist. So widersprüchlich er sein mag, er hat den Leser auf seiner Seite.

Der temporeiche Schreibstil, der trockene Humor und das amerikanische Milieu passen zu Joey, die Übersetzung von Irmela Brender ist gelungen.

Ein interessantes Buch für Kinder, die selbst ADS haben, und für alle Menschen, die sich mit dieser Zeiterscheinung beschäftigen wollen.

© Ulrike Schmoller
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