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Lilli Thal:
Mimus.

Gerstenberg, 2003.
ISBN: 3-8067-5029-7
445 Seiten, EUR 15,90 (ab 13 J.)

Alles fängt so gut an! Im vom Krieg schwer gebeutelten Königreich Monfiel erhält Kronprinz Florin Nachricht von seinem Vater, der am Hof des Kriegsgegners in Vinland weilt, um den Frieden auszuhandeln, er solle rasch kommen. Freudig macht sich Florin auf den Weg, endlich ist der ersehnte Frieden in greifbarer Nähe und der Ritt nach Vinland vergeht wie im Flug. Dass das alles eine unglaublich gemeine Falle ist, wird Florin sofort nach der Ankunft klar: Sein Vater und mit ihm die besten Ritter des Landes liegen in Ketten, und Florin wird als Lehrjunge zu Mimus geschickt, dem Hofnarren König Theodos. Sein Kronprinzendasein tauscht der Junge nun mit einem Alltag, der grausamer nicht sein kann: Er muss mit Mimus auf fauligem Stroh bei einer Schale Brei am Tag im Affenturm hausen, dort hält König Theodo seine Tiere. Morgens gibt ihm Mimus, den Florin am Ankunftstag fürchten gelernt hat, seitenweise Sprüche und Rätsel zum Lernen auf, er trainiert ihn in Überschlägen, Sprüngen, Tänzen bis zur Erschöpfung und oft genug muss Florin, der nun auch seinen Namen verliert und der „kleine Mimus" genannt wird, mit Mimus vor der königlichen Tafel auftreten.

Im Lauf der Monate lernt der kleine Mimus seinen Lehrmeister gut kennen. Er spürt, dass er ihm nichts Böses will, aber dem König gehorchen muss, wenn er selbst überleben will. Nach einem erfolglosen Fluchtversuch, der sehr schmerzhaft beim Kerkermeister und seinen Peitschen endet, begreift der kleine Mimus, dass er das grausame Spiel mitmachen muss, wenn sein eingekerkerter Vater und er selbst eine minimale Chance haben wollen. Er lernt den brutalen König von seiner Familienseite kennen, verliebt sich in Prinzessin Alix und in den Stunden der größten Not erreichen ihn kleine Hinweise, dass die Menschen in seiner Heimat ihren König nicht vergessen haben. So kann Florin seine Würde behalten und er findet trotz aller entsetzlicher Erlebnisse im Küchenjungen Benzo und sogar im Kerkermeister Menschen, die Herz haben und Mut zeigen.

So hält Florin die entsetzliche Zeit als Hofnarrlehrling durch und es kostet Leser und Florin den allerletzten Nerv, dass just an dem Tag, an dem für die Nacht der Befreiungsschlag für den König geplant ist, Theodo beschlossen hat, König Philip zu köpfen. Als Florin alle Felle davon schwimmen sieht, direkt auf der Zielgeraden, vertraut er sich in der höchsten Not dem Narren Mimus an und – erlebt ein Wunder. Mimus hilft ihm, obwohl er dafür einen sehr hohen Preis bezahlt. König Philip wird befreit und mit ihm seine gefangen gehaltenen Ritter. Es gelingt am Ende, Frieden auszuhandeln und die Wurzel des Zwists wird nun endlich ausgerissen. Küchenjunge Benzo ist am Ende der Glücklichste, Florin und Alix finden zueinander, die Länder sind befriedet und selbst Mimus, der Narr, von dem Florin so viel gelernt hat, wird am Ende geehrt.

Rechnen Sie nicht damit, dass Ihr Kind vor Seite 445 den Kopf aus dem Buch nimmt. Alles andere wäre gemein. Warnhinweis: Fangen Sie nicht drei Stunden vor Schulschluss zu lesen an. Es sei denn, die Oma kocht. Sie vergessen es garantiert.

Darf man Kindern aufzeigen, wie brutal die Menschen sein können? Wie grausam es in Kerkern zugeht? Wie man einen Menschen auslöscht, indem man ihm den Namen nimmt, gar die Seele, weil er nicht in die Kirche darf, ihn zum Narren, zum Gespött macht? Lilli Thal schafft es, die Botschaft, dass am Ende die Liebe, die Gerechtigkeit und der Glaube an sich selbst siegen, auch in den Stunden der tiefsten Einsamkeit und der größten Angst, durch das gesamte Buch zu tragen. Freundschaft und Fairness, auch dem Feind gegenüber, Hoffnung und Vertrauen sind wesentliche Themen. Selten wurde der Posten des Hofnarren so faszinierend beschrieben wie in diesem Buch. Die Leser erfahren: Es gibt immer mehrere Wahrheiten und es ist nicht der schlechteste Rat, die Welt einmal mit dem Gläsern eines Narren zu beobachten.


© Christine Krokauer
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