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Graham Gardner:
Im Schatten der Wächter.

Freies Geistesleben, 2004.
ISBN: 3- 7725-2251-3
220 Seiten, EUR 14,50 (ab 13 J.)

In der englischen Originalfassung heißt dieses Buch "Inventing Elliott". In der Tat erfindet sich Elliott neu, als er in eine andere Stadt und damit auch in eine andere Schule kommt. Nachdem er dort auf fiese Art gemobbt wurde, setzt er nun alles daran nicht aufzufallen und immer genau so zu sein, wie es von ihm erwartet wird, damit er nicht wieder zum Opfer der Gewalt seiner Mitschüler wird. Dafür plant er seine Worte und Schritte sehr bewußt und legt sich ein Pokerface zu, das nichts von seinen Gefühlen verrät. Sein Plan scheint zu funktionieren, doch gibt es keinen Grund erleichtert aufzuatmen. An der scheinbar disziplinierten Schule existiert ein subtiles Machtgefüge, sogenannte "Wächter", die nicht Normgerechte mit gemeinen Bestrafungen in Schach halten. Elliott lebt in panischer Angst und ständiger Anspannung, die ihn immer mehr auf die Seite der Wächter treibt, die sich im Sinne George Orwells Beobachtung, Kontrolle und Macht zum Ziel setzen. Nur wenn er mit Ben, einem der Opfer, oder mit der eigenständig denkenden Louise zusammen ist, kann er sich frei fühlen, doch darf er sich keinem ganz anvertrauen und weiß bald gar nicht mehr wie er seine verschiedenen Masken auseinanderhalten soll und wer er selbst eigentlich ist. Wird er es schaffen sich gegen das Unterdrückungssystem zu stellen?

Die beklemmende ausweglose Stimmung, in der sich Elliott befindet, zieht auch den Leser in ihren Bann. Kälte, eine traurige Einsamkeit und eine existentielle Verzweiflung bringen ihn dahin, sich innerlich abzutöten, um keinen Schmerz mehr empfinden zu müssen, wie es auch sein Vater getan hat, der sich endgültig in die Depression zurückgezogen hat. Es ist Elliotts Mutter, die trotz aller Schwierigkeiten für eine bessere Zukunft kämpft, zu ihrem Mann und zu ihrem Sohn hält und ihm am Ende damit auch den nötigen Rückhalt gibt. Durch Louise, die emotional frei sein kann, erfährt Elliott, dass "1984" auch anders gelesen werden kann. Der Autor unterbricht seine Erzählersicht immer wieder durch den inneren Monolog, in dem wir unverstellt von Elliotts Gedanken und Erinnerungen erfahren. Er beschreibt dessen Panik so dicht, dass man unwillkürlich Gänsehaut bekommt.

Ein schonungsloses Jugendbuch über die Schrecken von Anpassung und Normierung, das alle Jugendlichen angeht.


© Ulrike Schmoller
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