Chaim Potok: Zebra. Hanser, 2002. 216 Seiten, DM 14,90 (ab 14 J.) |
Es fasst sich ungewöhnlich an, dieses Buch mit dem Stoffbezug.
Es hat ein ungewöhnliches Zebramuster. Es handelt von ungewöhnlichen Menschen.
Und es ist ungewöhnlich gut: „Zebra" von Chaim Potok, dem großen jüdisch-amerikanischen
Romanautoren aus New York.
Sechs Kurzgeschichten aus dem Ursprungsland dieses Genres erzählen von sechs
Jugendlichen an der Schwelle zum Erwachsenwerden: da ist Zebra, der nach einem
Unfall seine Hand nicht mehr bewegen kann und sich in seiner Traurigkeit verfängt,
bis ein Kriegsveteran aus Vietnam einen unkonventionellen Kunstferienkurs in
seiner Schule anbietet. Zebra lernt auf eine neue Art zu sehen und auch von
sich abzusehen.
BB, die vor kurzem ihren Bruder Timmi verloren hat, muss erleben, wie sich ihr
Vater aus dem Staub macht, weil er meint kein neues Baby ertragen zu können.
Er kehrt zurück, doch BB trägt schwer daran als Einzige seine Abschiedsderbotschaft
gehört zu haben.
Der dreizehnjährige Moon, der selbstbezogen und fordernd in einer gespannten
Beziehung zu seinen Eltern lebt, trägt eine immense latente Wut in sich, die
er nur schwer unter Kontrolle bringen kann, wenn sie ausbricht. In der Begegnung
mit einem pakistanischen Jungen, der sich gegen Kinderarbeit einsetzt und der
ihm mit echtem Interesse Fragen stellt, läßt er zum ersten Mal eine andere Wirklichkeit
in seine Welt eindringen. Als Ashraf umgebracht wird wächst Moon beim Schlagzeugspielen
im Gedenken an ihn weit über sich hinaus. Navas Geschichte, in der sie von einem
Mitschüler bedrängt wird, ist verknüpft mit dem Schicksal ihres Vaters, der
in Vietnam von einem Navajo gerettet wurde und seit diesem Nahtoderlebnis eine
andere Seele hat.
Isabel muss sich nach dem Tod von Vater und Bruder an den neuen Freund der Mutter
und dessen Tochter gewöhnen und lernen, etwas Neues beginnen zu lassen.
Es sind jeweils zwei Schicksale, die Potok miteinander verknüpft und alle Geschichten
spielen sich an der Grenze zwischen Leben und Tod ab. Die Welt der Verstorbenen
reicht in die Gegenwart hinein, berührt und verändert die Lebenden wie auch
diese den Toten nah sind. Diese Durchlässigkeit wird an keiner Stelle unglaubwürdig.
Die Jugendlichen geraten in einen Ausnahmezustand, in dem sie mehr wahrnehmen
können als gewöhnlich und den sie nie vergessen werden. Die Leser auch nicht.