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Tigeraugen Tonke Dragt:
Tigeraugen.

Verlag Freies Geistesleben, 1997.
481 Seiten, DM 39,80 (ab 14 J.)

Mit "Tigeraugen" ist nun im Verlag Freies Geistesleben das fünfte Buch der Niederländerin Tonke Dragt erschienen. Es ist die Fortsetzung von "Turmhoch und meilenweit" und enthält die Geschichte "Der Roboter vom Flohmarkt". So tauchen einige bekannte Gesichter wieder auf: Der Planetenforscher Edu Jansen, der sechzehnjährige Bart Doran und Herr A. Akke vom A.f.a.W., dem Amt für allgemeines Wohlbefinden. Ihnen allen begegnet nun Jock Martin, der, seit er vom Forschungsdient auf der Venus suspendiert wurde, neben seiner Tätigkeit als Maler in einem Kreativzentrum schwierige Jugendliche betreut. Eines Tages malt er aus der Tiefe seines Unbewußten ein Bild mit Tigeraugen, wodurch ihm allmählich klar wird, daß er Gedanken lesen kann. Vor allem mit Edu und seiner Halbschwester Anna, die diese Kunst ebenfalls beherrschen, verbindet ihn ein feines Netz der Telepathie. Da die Planetenforscher wissen, daß die Venus von intelligenten Wesen bewohnt ist, wollen sie verhindern, daß die Allgemeine Weltregierung den Planeten mit Menschen bevölkert. Als die Regierenden Jocks telepathische Fähigkeiten erahnen und sich der Gefahr bewußt werden, die er für ihre Pläne bedeutet, entbrennt ein subtiler Kampf gegen ihn.

Tonke Dragt entwirft hier eine Zukunftsgeschichte, die ohne die üblichen Äußerlichkeiten dieses Genres auskommt. Roboter, Rollsteige und Minimobile sind nur der Rahmen, der ein glaubhaftes Milieu für die Handlung bietet, und kein Selbstzweck. Die "Action" spielt sich vielmehr schwerpunktmäßig im zwischenmenschlichen Bereich ab, in dem die Autorin mit viel Sensibilität ein dichtes, liebevolles Beziehungsgeflecht entstehen läßt. Die Gedankenübertragungen sind typographisch abgesetzt und wechseln unmittelbar mit direkter Rede ab, beides noch durchsetzt von großgeschriebenen Hervorhebungen. So entsteht ein äußerst komplexes kunstvolles Gefüge, das wunderbarerweise nicht verwirrend wird, sondern gut lesbar bleibt. Als ob dies alles nicht schon spannend genug ist, schafft die Autorin durch Manski, den Gegenspieler Jock Martins, eine handfeste Bedrohung, die mit Wanzen beginnt und in einer Prügelei endet, bei der es um Leben und Tod geht.

"Tigeraugen" ist ein ungewöhnlicher Science-Fiction-Roman mit einem unüblichen Thema, der auch formal aufs Beste geglückt ist und in der Feinheit der Durchgestaltung seinesgleichen sucht.

© Ulrike Schmoller
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