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Krokodil im Nacken Klaus Kordon:
Krokodil im Nacken.

Beltz und Gelberg, 2002.
796 Seiten, EUR 19,90 (ab 14 J.)

Acht kurze Schritte sind es von der Zellentür im Stasi-Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen bis zu den Glasziegelsteinen, die keinen Blick nach draußen erlauben. Die wenigen Geräusche, die vom Flur hereindringen, wie das Schmatzen der Räder des Essenswagens sind die einzige Abwechslung über Monate. Nur die Vernehmungen, die mit doppeltem Boden geführt werden, geben Manfred Lenz die Hoffnung, dass es in seiner Sache vorangeht. Beide Seiten wählen ihre Worte bewußt, der Leutnant , um zu manipulieren und auszuhorchen, Lenz um für sich und seine Familie das geringstmögliche Strafmaß zu erlangen. So geraten die Gespräche zum psychologischen Kräftemessen, in dem Lenz zunehmend an Stärke gewinnt und seine wahren Gründe preisgibt, darauf bauend ausgewiesen und von der Bundesrepublik freigekauft zu werden. Doch bis dahin wird es noch über ein Jahr dauern und doppelt so lange bis die ganze Familie Lenz wieder zusammen ist. Der Versuch über Bulgarien in den Westen zu flüchten ist gescheitert. In der langen Inhaftierungszeit tauchen Erinnerungen auf, die in der Rückblende das ganze Leben des Manfred Lenz aufrollen: das Aufwachsen in der Nachkriegszeit in der Kneipe der Mutter bis zu deren Tod; die Heimaufenthalte, in denen mit militärischem Drill sozialistisches Erziehungsgut eingebläut wurde, aber auch kleine Fluchten möglich waren mit den Freunden, die größtenteils nach dem Mauerbau dann tatsächlich flüchteten; der Aufstieg zum Handelsvertreter, dem Reisen ins Ausland gestattet waren, worauf er schließlich verzichtete um nicht in die Partei eintreten zu müssen; das kleine Glück mit Hannah und den beiden Kindern, das immer mehr dadurch getrübt wurde, dass man ihnen nicht erlaubte so zu leben wie sie wollten, und dass es nicht die Freiheit gab, die sie sich wünschten. Lenz sitzt seit dem Prager Frühling das Krokodil im Nacken, sein Gewissen, das ihn für Unrecht und fehlende Menschenwürde sensibilisiert, und er wehrt sich wo er kann, so klein seine Möglichkeiten sind in diesem ausgeklügelten System der Unterdrückung. Klaus Kordon, der so glaubwürdig und lebensnah schreiben kann, weil er Lenz' Erfahrungen selbst gemacht hat, entwirft hier nach der "Trilogie der Wendepunkte" erneut das Bild einer Epoche anhand eines Schicksals, das mit vielen anderen verknüpft ist. Dabei mutet er seinen Lesern zu, auch die eintönigen Gefängnisszenen in aller Ausführlichkeit mitzuerleben. Die Begrenzung und Verlangsamung verfeinert die Sinne für das wenige was geschieht und erlaubt ein Entfliehen nur in Gedanken, doch auch das Quälende, Zähe dieser Situation wird spürbar, die ohnmächtige Wut über die Absurdität dieser Freiheitsberaubung. Sehr beeindruckend ist der gewaltlose Widerstand der Häftlinge, die durch ihre Solidarität am Ende den Wärtern überlegen sind. Diese knapp achthundert Seiten Nachhilfe in unmittelbarer Geschichte bringen einen zum Frösteln und werden doch keinen Jugendlichen oder Erwachsenen kalt lassen.

© Ulrike Schmoller
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