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Sumsilaizos Sigrun Casper:
Sumsilaizos.

Freies Geistesleben, 2002.
160 Seiten, EUR 13,50 (ab 12 J.)

Als ich noch ein Kind war ging meine Mutter in regelmäßigen Abständen mit uns Kaffee, Schokolade und Seife einkaufen, die dann in große Pakete gepackt und "nach drüben" geschickt wurden. Auch die Besuche im Osten, wo alles viel grauer war als bei uns und die Anspannung bei den Grenzkontrollen sind mir noch gut in Erinnerung. Sigrun Casper schreibt über die Zeit des kalten Krieges vor dem Mauerbau.

In ihrem autobiographisch orientierten Roman "Sumsilaizos" läßt sie das Mädchen Sieglinde erzählen, wie sie ihr Aufwachsen im Sozialismus erlebt. Die scheußlichen Schuhe und Kleider, die sie tragen muß, der Mangel an Gemüse und Fleisch und die Phrasen ihres Bruders Helmut, der Planökononie studiert, stehen für sie im krassen Gegensatz zu den hellen Geschäften im Westen, den Illustrierten und der Meinung ihres anderen Bruders Frank, der in ein West-Gymnasium geht. Soll sie dem Rat Helmuts folgen, sich den Jungen Pionieren anschließen und bei der 1.Mai-Feier mitsingen? Oder "Muß nicht immer alles nach Plan gehen", wie ihr Mathematiklehrer meint? Sieglinde beginnt sich dafür zu interessieren, was ein Philosoph macht und kommt so mit Herrn Strom ins Gespräch, der sie so offen und interessiert anschaut, dass ihr dabei gute Gedanken kommen. Er rät ihr nur sich selbst um Rat zu fragen und nie eine Entscheidung zu treffen, um jemand anderem zu gefallen. So kann das Niemandsland, das sie in sich entdeckt hat, zum Jemandsland werden, in dem ihr Ich wohnt. 1961 trifft sie die Entscheidung in den Westen zu gehen.

Sieglinde findet ihren eigenen Weg dadurch, dass sie unbeirrbar ihre Fragen stellt und zwar den richtigen Menschen, etwa der alten Frau Kühn, die ihr von der Judenverfolgung erzählt oder Herrn Strom, der eine große Persönlichkeit ist und zugleich angefeindet wird. Es liest sich amüsant, wie sie die sozialistischen Absurditäten erzählt, mit feiner Beobachtungsgabe ihre Mitmenschen beschreibt und doch gleichzeitig die Falschheit dieses Systems wahrnimmt, in das sie sich nicht einreihen will.

Ein stimmiger, gut geschriebener Roman, der für junge Menschen ab zwölf und Erwachsene eine wichtige Zeit lebendig macht.

© Ulrike Schmoller
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