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Kinder der Mutter Erde Thea Beckmann:
Kinder der Mutter Erde.

Verlag Urachhaus, 1997.
497 Seiten, DM 39,80 (ab 13 J.)

Einige Jahrhunderte nach der "großen Katastrophe", bei der die Erde fast völlig zerstört und aus den Angeln gehoben wurde, hat sich im ehemaligen Grönland ein angenehmes Klima entwickelt. So konnte dort eine neue Kultur wachsen, die sich durch ihre Ehrfurcht vor Mutter Erde und matriarchalische Strukturen auszeichnet. Die Menschen in Thule leben im Einklang mit der Natur, unter einfachen aber menschengemäßen Bedingungen in einem wohlstrukturierten System, das die Frauen weise führen, während die Männer geachtet werden, aber keine Macht haben. Christian, der Sohn der "Konega" von Thule, beginnt als Heranwachsender diese Ungleichheit in Frage zu stellen, zumal er sich in Thura, ein Mädchen aus dem einfachen Volk verliebt hat, die er nach den Regeln der Thulenen aber nicht heiraten kann.

Doch plötzlich taucht im Hafen ein Expeditionsschiff aus Teutonien auf, das sich Thule einverleiben will, mit Männern an Bord, die eine völlig andere Wesensart haben als die Thulenen. Selbstsüchtig, technikversessen, machthungrig und gewalttätig stehen sie den schlauen, intuitiven und einfühlsamen Frauen gegenüber, die sich mit all ihrer List gegen die Bedrohung zur Wehr setzen. Thura und einige Männer spielen dabei eine so entscheidende Rolle, daß zum guten Schluß der Frauenrat seine Gesetze ändern muß: die Männer bekommen ein Mitspracherecht und Christian seine Thura.

Es ist bewundernswert, wie Thea Beckmann die Darstellung der Frauen und deren kluge Schachzüge gelingt, alles ist stimmig bis zum Feinsten. Die Gegenüberstellung von guten Thulenen und bösen Teutoniern verleitet sie nicht zur Schwarz-Weiß-Malerei: Immer wieder bricht sie aus dem Schema aus, etwa durch den Matrosen, der sich in ein thulenisches Mädchen verliebt oder durch den Professor, der Thule mehr und mehr lieben lernt.

Das Buch ist wohlkomponiert. Spannung und Tempo steigern sich zusehends, die drei Erzählstränge (Liebesgeschichte, Aufstand der Männer und Kampf gegen die Teutonier) verflechten sich im Lauf der Geschichte immer mehr bis sich am Schluß einem Sieg der Frauen das notwendige männliche Element in seiner positiven Form zugesellt.

Das Thule, das Thea Beckmann hier entwirft, ist ein Paradies, wie man es sich für die Zukunft nicht schöner wünschen kann. Da wir in der Gegenwart aber leider eher Teutonier sind, spielt sich der Kampf auch in der Seele des Lesers ab. Dieses Buch hat die Kraft, ein Umdenken anzustoßen.

Wer sich von dem kitschigen Titelbild nicht abschrecken läßt, findet in "Kinder der Mutter Erde" jede Menge Lesevergnügen, Ideale und Denkanstöße, so daß es allen jugendlichen Menschen nur wärmstens empfohlen werden kann.

© Ulrike Schmoller
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