Mark O'Sullivan: Engel ohne Flügel. Verlag Freies Geistesleben, 2001. 175 Seiten, DM 28.-- (ab 13 J.) |
Schon auf dem Schutzumschlag von "Engel ohne Flügel" züngeln einem die Flammen entgegen und gleich auf den ersten Seiten wird von der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten erzählt. Auch die Werke des jungen Autors Axel Hoffen werden auf den Scheiterhaufen geworfen, doch schon kurze Zeit später bekommt er Besuch von einem SS-Mann, der ihn zwingen will seine erfolgreiche Jugendbuchserie "Die Abenteuer der Lingenbande" in Sinne der Nazis fortzusetzen. Da er sich weigert, landet er im Gefängnis und Hans Gott wird zum Schreiben gezwungen, der ein übles Machwerk abliefert. Inzwischen werden nach und nach die vier jugendlichen Hauptpersonen aus der Geschichte lebendig und angesichts der Gewalt, die sie in der realen Welt erleben, greifen sie immer mehr in das Geschehen ein. Sie schaffen es der Geschichte einen Schluß zu verleihen, der rückwirkend alles vorher Geschriebene zurechtrückt und die wahren Übeltäter aus den Reihen der Nazis offenbart. Die Phantasie hat gesiegt. Der Widerstand gegen Folter und geistige Unterdrückung hat sich gelohnt. O'Sullivan verwebt Fiktion und Geschichte auf eine ungewöhnliche Art und Weise, die fasziniert und zum Schluß hin auch Verwirrung stiftet. Spätestens als von dem Bericht des Manuskriptfundes im "Spiegel" die Rede ist verschwimmen die Grenzen zwischen Tatsachen und Dichtung völlig. Ein gewagtes Unterfangen, zumal Hans Gotts eingeschobene "Abenteuer der Lingenbande" streckenweise durchaus ihre Faszination ausüben und spannender als die "gute" Haupthandlung sind. Doch O'Sullivan gelingt es das Gegengewicht zu halten und er läßt keinen Zweifel daran, auf wessen Seite er steht. "Engel ohne Flügel" ist ein bemerkenswerter Versuch Jugendlichen den Nationalsozialismus nahe zu bringen, der eher artifiziell wirkt, weil sich die Handlung überwiegend in einer Zwischenwelt abspielt, doch gerade dadurch können moralische und geistige Werte erlebbar werden.