LITTERULA ‑ REZENSIONEN von Dipl. Bibl. Ulrike Schmoller ‑ www.litterula.de © www.litterula.de
Kompass
ohne Norden

Neal Shusterman:
Kompass ohne Norden.

Hanser, 2019.
ISBN: 978-3-446-26046-7
340 Seiten, EUR 19.-- (ab 16 J.)

Caden ist fünfzehn als er langsam in die Schizophrenie abdriftet. Seine Eltern und seine Freunde müssen ohnmächtig mit ansehen, wie er sich immer weiter in seinem Verfolgungswahn und seinen abstrusen Ideen verfängt und immer ruheloser wird, bis kein anderer Ausweg mehr bleibt, als ihn in die Psychiatrie zu bringen. Neal Shustermann kennt das von seinem eigenen Sohn Brendan, dessen Geschichte und Bilder er zu diesem Jugendbuch verarbeitet hat. Er erzählt parallel aus Cadens Zeit in der Klinik und aus der Zeit davor. Es bleibt lange rätselhaft, wer der Kapitän der Papagei, der Steuermann und der Schiffsjunge sind und was die Coctaillounge und die weiße Plastikküche aus seinem Absurdistan darstellen. Erst etwa in der Hälfte des Buches, als sich die Kanone, die er putzen sollte, auf einmal als Kernspintomograph entpuppt, taucht er langsam wieder aus der Mischung aus Psychopharmaka und Wahn auf. Er schwankt noch eine Weile zwischen beiden Welten hin und her. Zwischen Callie, die immer am Panoramafenster die Welt beobachten muss, damit sie nicht verschwindet, und ihm entspinnt sich eine zarte Liebe. Fast wünscht er sich, sie blieben immer gebrochen, damit sie sich nicht trennen müssen. Aber nach einigen Wochen ist die Episode vorbei. Vielleicht nie ganz, aber er kann nun den Kapitän in seine Schranken weisen.

Als Leser geht man in diesem Buch genauso unter wie Caden, aber es ist durchaus interessant, sich mit in seinen Abgrund reißen zu lassen. Auch wenn alles völlig chaotisch und sinnlos zu sein scheint, bleibt man doch bei der Stange auf der Suche nach einem Zusammenhang um dann im zweiten Teil spürbar auf zu atmen. Man gewinnt durch die Lektüre auf jeden Fall einen anderen Blick auf psychische Krankheiten und vor allem für betroffene Jugendliche und Eltern kann es ein Hoffnungsschimmer sein, dass es wieder vorbei gehen kann. Nicht umsonst hat die Jugendjury diesem Buch den Jugendliteraturpreis verliehen.

© by Ulrike Schmoller
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