Ann M. Martin: Die wahre Geschichte von Regen und Sturm. Königskinder, 2015.
ISBN: 978-3-551-56013-1
240 Seiten, EUR 14,99 (ab 12 J.)
Ruth braucht eine ganze Weile um sich vorzustellen, denn sie muss erst einmal erklären, wie sie durch ihren hochfunktionellen Autismus tickt. Zahlen, besonders die Primzahlen, und Homophone, also gleichklingende Wörter, sind ihre große Leidenschaft und das Gerüst, das ihre Welt zusammenhält. Wenn Regeln gebrochen werden, bringt sie das so aus dem Konzept, dass ihre Schulbegleiterin sie zum Abkühlen mit auf den Flur nehmen muss. Frau Leibler bringt ihr auch bei, wie man ein normales Gespräch beginnt und dass man dem anderen dabei in die Augen schaut. Ihr Vater hat für ihre Besonderheiten wenig Verständnis, während sie sich mit ihrem Onkel Weldon gut versteht. Eines Tages bringt ihr Vater ihr als Geschenk einen streunenden Hund mit, der von da an ihr ganzes Glück ist. Doch nach dem schlimmen Hurrikan Susan ist „Regen“ wie vom Erdboden verschluckt. Die Freude ist groß, als ihre Suche endlich erfolgreich ist, das Tierheim hat jedoch festgestellt, dass sie einen Microchip implantiert hat. Schweren Herzens macht sich Susan daran, die echten Besitzer aufzuspüren...
Der erste Teil, in dem Ruth viel von sich und ihren Eigenarten erzählt, zieht sich etwas in die Länge, gibt aber dabei einen guten Einblick in die Denkweise eines autistischen Menschen. Das ist Ruth selbst durchaus bewusst. Nur wer sie verstanden hat und bis dahin nicht aufgegeben hat, wird mit einem spannenden zweiten Teil belohnt, in dem der Hurrikan Susan Ruths Welt auf den Kopf stellt, und kann ermessen, welch große Leistung sie dadurch vollbringt, dass sie Regen weggibt. Eine vergleichbare Liebesttat vollbringt übrigens ihr Vater am Ende. Ruth muss viele bewusste Kommunikationsprozesse bewältigen und baut sich damit neue, eigene Brücken in die Welt. Schließlich geht es nicht mehr um Infos und Daten, sondern um die Menschen, zu denen sie einen Zugang gefunden hat.