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Zwischen zwei Fenstern

Dianne Touchell:
Zwischen zwei Fenstern.

Königskinder, 2015.
ISBN: 978-3-551-56004-9
253 Seiten, EUR 15,90 (ab 14 J.)

In einem Gedicht von Hilde Domin heißt es: „Es gibt dich, weil Augen dich wollen, dich ansehen und sagen, dass es dich gibt.“ Das spüren auch die beiden Nachbarn Creepy und Maud, deren Zimmerfenster sich gegenüber liegen. Beide stammen aus seltsamen Familien, die untereinander und miteinander zerstritten sind, und beide sind sie Einzelgänger und Außenseiter, die sich von ihrer Umwelt übersehen fühlen. Creepy liest gerne und viel, während Maud leidenschaftlich zeichnet und sich büschelweise ihre langen tizianroten Haare ausreißt. Den Abstand ihrer Fenster als Schutzraum nutzend, wagen die Jugendlichen eine vorsichtige indirekte Annäherung. Es beginnt damit, dass Creepy mit seinem Fernglas herüberschaut, wodurch – wie er beobachtet - Nähe und Distanz gleichermaßen zunehmen. Wenig später verständigen sie sich durch Zettel mit Sätzen und Bildern, die sie ins Fenster halten. Creepy sieht mit an wie Maud von ihrem Vater geschlagen wird und wie er ihr ihr Zeichenmaterial wegnimmt (Es geht allerdings auch mit Lippenstift auf den Seiten von „Alice im Wunderland“). Ihre Trichotillomanie wird immer schlimmer, denn nur durch das Haare ausreißen kann sie sich noch lebendig fühlen. Ihre Eltern reagieren darauf, indem sie eine rosa Jalousie vor ihrem Fenster anbringen und ihr gegen ihren Willen den Kopf scheren lassen...Es braucht noch einige Umwege bis Creepy direkt auf sie zu geht und das Blatt damit wendet.

Als Leser fällt es schwer, geduldig zuzuschauen, wie die beiden umeinander herumtanzen, dabei besteht von Anfang an ein starkes Band zwischen ihnen, das sich aus Zuneigung, Interesse, Worten und Blicken speist. Es ist für beide die einzige wirkliche Verbindung mit der Welt, über die sie viel von sich preisgeben können. Dadurch kommen auch die unterschwellige Gewalt und die inneren Nöte der Figuren ans Tageslicht. So werden die beiden Fenster und der Raum dazwischen zum Hauptschauplatz einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte, die durch ihre literarische Qualität besticht.

© by Ulrike Schmoller
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