Ähnlich wie im "Märchenerzähler" sind die Hauptpersonen eine gerade erwachsen gewordene Frau und ein Kind aus schwierigen Verhältnissen, es beginnt gewaltig, und es geht über mehrere hundert Seiten darum, wer denn nun der Böse ist. Svenjas Geschichte spielt in Tübingen, wo sie gerade ihr Medizinstudium begonnen hat - wobei die Lektüre besonderen Spaß bereitet, wenn man die Stadt kennt, denn alle Details stimmen. Stolz bezieht Svenja ihre eigene Bude, mitsamt dem etwa neunjährigen schmuddeligen Jungen in ihrem Schrank. Er scheint schwer traumatisiert zu sein, denn er spricht nicht und reagiert panisch auf duschen und Limetten. Seine Leute sind die Penner, die "zwischen den Zeilen" leben, und die werden einer nach dem anderen niedergestochen. Gemeinsam mit ihrem Kommilitonen Friedel Häberle und dem jungen HNO-Arzt Gunnar Holzen macht sich Svenja daran, den Mörder ausfindig zu machen, eine gefährliche Sache, die nicht gut ausgeht.
Genau wie beim Wolfspiel, bei dem der Täter solange seine Opfer tot blinzelt, bis er als Einziger übrig bleibt, lässt uns Antonia Michaelis bis zum Schluss im Dunkeln tappen, nicht ohne perfide Fallen einzubauen. Es empfiehlt sich, das Buch ein zweites Mal zu lesen, denn erst dann erkennt man, wie gekonnt sie das Doppelspiel des Mörders anlegt und wie alles von Anfang an zusammenhängt. Der Schluss ist problematisch und lässt die Frage nach einer anderen Lösung offen. Ein spannender Krimi, der an der Oberfläche kratzt und Dunkles hervorbringt.