"There's a crack in everything, that's where the light gets in". Mit dieser Textzeile von Leonard Cohen enden Mirjams Aufzeichnungen über ihre Jugendjahre, auf die sich intensiv eingelassen hat. Ihre stille, künstlerisch veranlagte Mutter hilft der damals noch unscheinbaren Dreizehnjährigen dabei, ihren eigenen Stil zu finden und ermutigt sie zum Ausprobieren, ihr extravertierter apfelrunder Vater schenkt ihr einen Fotoapparat, mit dem sie ihre Begabung zum Lichtsammeln entfalten kann, vom Büdchenbesitzer Ötte bekommt sie eine Mundharmonika, die ihr musikalisches Talent freilegt, ihre Deutschlehrerin weckt ihre Liebe zum Schreiben und ihre Freundin Sarah zum Entwerfen eigener Kleidung. So entdeckt Mirjam immer neue Facetten an sich und sie beobachtet sich staunend selbst dabei, wie sie immer mehr aufblüht. Doch neben dem Glück schleicht sich leider auch das Schlamassel in ihr Leben hinein, mal als Miesmuschelstimmung, mal als dunkles Geheimnis oder eben auch als heftiger Schicksalsschlag. So wie sie sich des Rückhalts in ihrer Familie oder bei ihren Freunden sicher sein kann, versucht sie auch den anderen zur Seite zu stehen, so gut sie kann. Aber mit siebzehn trifft es sie so vehement, dass sie doch den Boden unter den Füßen verliert, und sie wird vom Strudel des Lebens tief unter Wasser gedrückt. Als sie wieder aufgetaucht ist, weiß sie, wer sie sein möchte und sagt von sich, dass sie das Licht und den Blues kennt.
Brigitte Werner schickt ihre Mirjam auf die Überholspur heraus, auf der es bunt, und schrill ist und die Gefühle überwältigend stark sind. Da gibt es nichts, was ist nicht gibt, und neben sehr schönen leisen poetischen Stellen finden sich auch kräftige Flüche und bodenständiger Ruhrpott-Slang. Das feine, spannende Kennenlernen der lebendig geschilderten Figuren in der ersten Hälfte des Buches wird im zweiten Teil von einer großen Fülle an Handlung überspült, so dass es dem Leser ähnlich ergeht wie der Protagonistin. Wie jeder Jugendliche muss Mirjam lernen, das Durcheinander ihrer Emotionen einzuordnen und mit ihnen umzugehen. Die Liedtexte an den Kapitelanfängen sind es wert, nicht überlesen zu werden. In diesem Buch kann man sich verirren wie in einem Labyrinth. Da gibt es Um- und Irrwege, und das Licht kommt unter Umständen gerade an der Stelle herein, wo zuvor etwas zerbrochen ist.