Antonia Michaelis: Solange die Nachtigall singt. Oetinger, 2012.
ISBN: 978-3-7891-4293-2
448 Seiten, EUR 16,95 (ab 16 J.)
Eigentlich wollte Jari Cizek, der Zeisig, nach dem Abschluss seiner Tischlerlehre nur einige Tage allein wandern gehen. Doch dann trifft er die schönste Frau, die er jemals gesehen hat, und folgt ihr bereitwillig in ihr Haus, das mitten im undurchdringlichen Wald verborgen liegt. Für Jascha, die Nachtigall, erledigt er gerne die anfallenden Männerarbeiten, während sie seine Sehnsucht nach Nähe geschickt zu lenken weiß und ihm immer wieder entschlüpft. Jari gibt den Kontakt zur Außenwelt in Gestalt seines Freundes Matti auf und erliegt der Schönheit und dem Geheimnis um Jascha. Wer ist sie (und wenn ja wie viele)? Was bedeuten die Kreuze in dem See, der so schwarz ist wie Jaschas Augen, was die Vogelfedern bei der Höhle, was die Briefe, die ihn warnen sollen? Jari läuft in eine Falle voller Spiegel und Trugbilder und gerät in seinem Wunsch zu beschützen immer tiefer in einen Strudel der Gewalt hinein. Was ist in diesem düsteren Wald Schreckliches geschehen?
Schon die Kapitelüberschriften sprechen für sich: Dämmergrün, Flammseide, Nebelmilch, Lichtwein, Brandorange, Schneeblau, Spiegeleis... Antonia Michaelis ist eine Meisterin der Sprache, die es versteht mit archetypischen Bildern und verborgenen Andeutungen zugleich Verwirrung zu stiften und die Realität hereinzuholen. Sie spielt mit ihren Lesern ein ebenso gefährliches Spiel wie Jascha mit Jari, und so bleibt einem nichts anderes als der Faszination dieses Buches zu erliegen.