Janet Tashjian: Alle Chancen für Paula. Cecilie Dressler Verlag, 2000. 191 Seiten, DM 22.-- (ab 12 J. |
Ein Anagramm? Was war das doch gleich? Bei diesem Wortspiel werden die Buchstaben eines Wortes durcheinandergemischt und zu neuen Begriffen zusammengesetzt. Die vierzehnjährige Paula ist eine begeisterte und versierte Anagrammjägerin, die diese Kunst sogar im Kopf beherrscht.
Im Alltag hat sie es dagegen nicht so leicht. Sie leidet unter ihrem Perfektionismus, hat Angst davor etwas falsch zu machen und neigt dazu sich in Gedanken und Vorstellungen so hineinzusteigern, dass sie sie nicht mehr loslassen. Ihr Leben ist bestimmt davon, dass sie die Farbe ihrer Socken nach dem Fach auswählt, in dem sie eine Klassenarbeit schreiben muss und dass die das Schloss ihres Spindes erst dreimal umdreht bevor sie es öffnet. Die Menschen in ihrer Umgebung finden es seltsam, dass sie auf die Idee kommt zwei Sitzsäcke zu wiegen um deren Füllung gleichmäßig zu verteilen. Als sie in einer Zeitschrift einen Test über Zwangsvorstellungen liest, beschließt sie ihr Leben durch die dort abgedruckten Tips zu ändern und spontaner zu werden. Da sie sich ohne Regeln jedoch unwohl fühlt, erfindet sie das Spiel "multiple choice", bei dem sie sich vier verschiedene Optionen für eine Situation ausdenkt, von denen sie dann eine durch die Ziehung eines Scrabble-Buchstabens auswählt. So kommt es, dass sie eines Tages im Schlafanzug in die Schule geht oder auf einer Party immer wieder von Eis mit Keksstückchen redet. Ernst wird es, als sie sich von ihren eigenen Einfällen gezwungen sieht, einen Schmähspruch über ihre beste Freundin ins Schulklo zu schreiben und als sie beim Babysitten das ihr anvertraute Kind einsperrt, worauf dieses zum Fenster hinausstürzt.
Durch ihre tiefe Betroffenheit kommt sie mit der Mutter des Jungen ins Gespräch und lernt, dass sie selbst den Mut haben muss Entscheidungen zu treffen ohne sich vom Zufall helfen zu lassen. Ganz allmählich kann sie sich auf Neues einlassen, weil sie die Erfahrung macht nicht perfekt sein muss und sie traut sich etwas von sich zu zeigen. Die Anagramme helfen ihr dabei ihre eigene Identität zu finden.
Diese Wortspiele ziehen sich als roter Faden durch das ganze Buch, versetzen in Staunen und regen dazu an, selbst auf die Suche nach solchen Kombinationen zu gehen. Ob die Autorin die Lust daran in ihren Kursen für kreatives Schreiben am Emerson College bekommen hat? Auf jeden Fall gelingt es ihr gut die leicht skurile Entwicklung Paulas zu einem eigenständigen Menschen darzustellen, sich einzufühlen in die schwierige Lage eines jungen Mädchens und dessen besondere Art zu denken und damit jugendliche Leserinnen von zwölf bis vierzehn anzusprechen.