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Antonia Michaelis:
Der Märchenerzähler.

Oetinger, 2011.
ISBN: 978-3-7891-4289-5
447 Seiten, EUR 16,95 (ab 15 J.)

Wer ist dieser abweisende Junge mit der Kapuze und den Kopfhörern da draußen auf dem Schulhof, den alle "den polnischen Kurzwarenhändler" nennen? Verkauft er wirklich Drogen? Anna, die gerade in Greifswald ihr Abitur macht, verliebt sich in Abel Tannatek obwohl alle sie warnen und sie auch selbst ahnt, dass er in einer ganz anderen Welt lebt wie sie. Seiner sechsjährigen Schwester Micha erzählt er die Geschichte von der Klippenkönigin, auf deren diamantenes Herz Jagd gemacht wird. Ist sein Märchen etwa wahr? Wo ist Michelle, Michas Mutter? Zwei Männer werden mit einem Genickschuss im Nacken aufgefunden, einer aus dem Eis gezogen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen Fällen? Abel sorgt liebevoll für seine Schwester, während sich die Schlinge um ihn unerbittlich zuzieht. "Das Märchen geht nicht gut aus.", sagt er Anna voraus. Wenig später erfährt sie das am eigenen Leib. Kann es für so etwas ein Verzeihen geben? Am Ende hat Abel alles hingegeben um seine Schwester zu retten…

"Der Märchenerzähler" ist ein dunkles, frostiges Buch, bei dem die hellen Momente dennoch alles überstrahlen. Es schmerzt - wie wenn nach einem langen Spaziergang im eisigen Wind die steifen Glieder langsam auftauen. Über allem schwebt der tiefe Gesang Leonard Cohens, dessen Lyrik immer wieder zitiert wird (Wer mag: es gibt eine All-Time-Best CD von Cohen bei Reclam für 6,95). Es ist ein kompliziertes, vielschichtiges und beklemmendes Buch, in dem man viele Anspielungen und vor allem die Elemente aus dem fortlaufenden Märchen erst beim zweiten Lesen versteht. Wer welche Rolle spielt, bleibt bis zum Schluss offen.

Auf ihrer website schreibt Antonia Michaelis über ihren "Sousrealismus": es geht ihr darum, was unter der Wirklichkeit verborgen liegt. Dort kann man im "Märchenerzähler" eine Menge finden. Ein ganz besonderes Buch!

© by Ulrike Schmoller
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