Marie Bertherat: Ein Sommer am Montparnasse. Urachhaus, 2011.
ISBN: 978-3-8251-7762-1
239 Seiten, EUR 13,50 (ab 14 J.)
Paris, die siebziger Jahre, Mouchka und Gabriel - man erliegt all dem gleich auf den ersten Seiten und landet zwischen dem Boulevard du Montparnasse und dem Jardin de Luxembourg, wo die vierzehnjährige Mouchka auf ihrem Bett das mit schwarzem Moleskine bezogene Tagebuch ihrer Mutter Nina liest. Darin erzählt sie, wie sie in der UDSSR bei ihrer Tante Irina aufwuchs und mit einer alten Leica das Fotografieren entdeckte - wobei sie immer wieder an die Warnung denken musste, dass die Fotografie eine gefährliche Sache ist, die man lieben, vor der man sich aber auch in Acht nehmen sollte. Als Fotografin des Balletttänzers Rudolf Nurejew nimmt sie dessen berühmten Sprung in die Freiheit auf und setzt sich, mit der Hilfe von Mouchkas späterem Vater Wolodja, selbst nach Paris ab. Das Fotografieren wird ihr später tatsächlich das Leben kosten… Gleichzeitig erfahren wir die Geschichte von Gabriel, dem Jungen, der in der Traumboutique Kommoden bemalt, und der langsam dahinter kommt, wer sein Vater wirklich war und was dieser getan hat. Was Mouchka und Gabriel herausfinden, wird zu einer Prüfung ihrer Zuneigung, denn ihre Schicksale sind auf eine wundersame, erschreckende Weise miteinander verquickt.
Mir ging es beim Lesen so, dass die verschiedenen Zeitebenen ganz unterschiedliche Farben bekamen: Ninas Geschichte war meist sepia-farben oder schwarz-weiß wie ihre alten Fotografien und wie das eingeschränkte Leben in der UDSSR, Mouchkas dagegen eher quietschig und groß gemustert und mit viel Pariser Flair. Die Autorin baut unzählige Details ein, wichtige und liebenswert nebensächliche, so dass man stets mitten im Geschehen ist. So fein ziseliert das Geflecht ihrer Bilder ist, so tragfähig ist es, wie eine Hängematte, in der man sich gerne treiben und mitnehmen lässt. Eine Weile steht die Zeit still wie auf einem Foto…