© www.litterula.de

Antonia Michaelis:
Die Worte der weißen Königin.

Oetinger, 2011.
ISBN: 978-3-7891-4291-8
268 Seiten, EUR 14,95 (ab 12 J.)

Der elfjährige Lion lebt mit seinem Vater in einem trostlosen, entvölkerten Ort an der Ostsee. Auch seine Mutter ist vor vielen Jahren in den Westen gegangen. So lange der Vater Arbeit auf der Werft hat, kommen die beiden ganz gut zurecht, doch dann beginnt er zu trinken, weil er sich als Verlierer erlebt. Immer öfter verwandelt er sich in den "schwarzen König", der Lion demütigt, mit einem Ziegenstrick schlägt und einsperrt. Lion kann sich nicht wehren und ist wie gebannt. Doch es gibt auch noch eine andere Welt für den Jungen: seinen zahmen Seeadler Rikikikri, seine Schattenschwester Olin, die in den Wäldern haust, und die Worte der "weißen Königin", einer alten Dame, die ihn als Kind mit ihrem Vorlesen verzaubert hat. Malins "Klingt, meine Linde, singt meine Nachtigall" hat sich Lion tief eingeprägt. Diese Worte werden für ihn zu einem inneren Schutz und zu einem Hoffnungsträger, zum Lebensziel. Er läuft seinem Vater davon und lebt mit Olin "nirgendwo und überall", immer auf der Hut. Bis er das richtige Buch findet, ereignen sich dramatische Dinge. Am Ende ist es Lion, der der weißen Königin vorliest…

Diese wunderbare Geschichte über das Glück des Lesens schwebt zwischen Märchen und Realität. Lion ist durch die Misshandlungen schwer traumatisiert. Der Anblick eines Stricks oder ein dunkler Keller wecken schlimme Erinnerungen. "Warum hast du dich nicht gewehrt?", fragt ihn Olin, die Lions andere Seite verkörpert. Lion steckt in dem Zwiespalt, dass sein Vater und der schwarze König eins sind, und dass er den einen nicht ohne den anderen töten kann. Die Worte der weißen Königin haben eine große Kraft, denn mit ihrer Hilfe kann sich Lion über sein dunkles Leben erheben wie ein Seeadler über das Meer.

© by Ulrike Schmoller
www.litterula.de