Klaus Kordon: Auf der Sonnenseite. Beltz und Gelberg, 2009.
ISBN: 978-3-407-81059-5
298 Seiten, EUR 14,95 (ab 14 J.)
Schon das Cover ist sprechend: nachdem Manfred Lenz viele Monate lang in Hohenschönhausen nur durch Glasbausteine etwas Licht sah, steht er nun am großen Fenster einer Wohnung und blickt nach draußen in eine gelbgrüne Sonne, wobei er den Kopf abwägend zur Seite neigt. Natürlich ist die Freude groß, dass endlich die Kinder ausreisen durften und die Familie wieder vereint ist. Das Einleben in der Bundesrepublik fällt Manfred und Hannah Lenz jedoch nicht leicht. Vieles erleben sie als oberflächlich und viele Begegnungen verlaufen enttäuschend. Die Suche nach einer Wohnung und nach Arbeit ist von Profit- und Konkurrenzdenken bestimmt und mit manchem Lehrgeld verbunden. Haben sie nur von der ideologischen Unfreiheit in die materielle gewechselt? Manfred beobachtet, hinterfragt, hadert und zweifelt und stellt mehr als einmal alles in Frage. Das "Krokodil im Nacken" lässt ihm nach wie vor keine Ruhe und erinnert ihn immer wieder an seine moralische Integrität. So erfährt der Leser mit Manfreds kritischem Blick, was sich in den 70er- und 80er-Jahren in Deutschland ereignet: die Guillaume-Affäre, die RAF, Tschernobyl, Gorbatschow und schließlich die Öffnung der Mauer, eingebettet in seine persönliche Geschichte als Handelsvertreter und schließlich als erfolgreicher Autor, der dann wieder in seine Heimat Berlin zurückzieht.
Seine Sichtweise ist die eines Betroffenen, der einen Schritt zurücktritt und so an Überblick gewinnt. Unmittelbarer können Jugendliche nicht von der nahen Vergangenheit erfahren. Der emotionale Bezug zur Hauptperson ist immer gegeben, die sich durchgängig als Identifikationsfigur anbietet, auch wenn Manfred Lenz deutlich älter ist als die Leser. Viele Diskussionen und ethische Fragen regen zum Mitdenken an. Er endet mit dem Satz: "Die Vergangenheit durfte doch die Gegenwart nicht auffressen." Mit diesem Buch hat er einen Beitrag zu ihrer Verarbeitung geleistet.