Mirjam Pressler: Golem, stiller Bruder. Beltz und Gelberg, 2007.
ISBN: 978-3-407-81021-2
372 Seiten, EUR 16,90 (ab 14 J.)
Basierend auf der jüdischen Legende von dem Golem, den Rabbi Löw aus Lehm erschaffen und zum Leben erweckt haben soll, entwickelt Mirjam Pressler die Geschichte des fünfzehnjährigen Jankel im Prager Ghetto um 1600. Bei seinem Großonkel, dem berühmten Rabbi, findet der Junge Aufnahme, Arbeit in der Bäckerei Mendels, wo er auch seinen Freund Schmulik, den Geschichtenerzähler kennenlernt. Die Backwaren verkaufen die beiden auf der christlichen Seite der Stadt, wobei Jankel auch eine wichtige Verbindungsperson zu dem christlichen Dr. Balthasar wird. Die Hetze und die Gewalt gegen die Juden nehmen immer mehr zu, weshalb in der Not der seltsame Synagogendiener Josef mit seinen übermenschlichen Kräften zu Hilfe gerufen wird. Immer wieder gelingt es durch Josefs Beistand, Aufschub zu gewinnen. Josef ist grob, gänzlich haarlos und hat einen leeren, gleichgültigen Blick, so dass Jankel ihm misstrauisch nachspioniert und herausbekommt, dass er ein Golem ist. Je besser er Josef kennt, umso menschlicher wird er in seinen Augen werden. Den Juden wird indes vorgeworfen, Kinder zu töten, wofür als Beweis die Leiche eines Mädchens in Reb Meisls Keller gelegt wird. Jankel und Josef können in letzter Minute die Intrige aufdecken und die Gefahr für das ganze Stetl abwenden. Doch die Geschichte geht am Ende nicht gut aus.
Abwechselnd in der ersten und dritten Person erzählend, lässt uns Mirjam Pressler an den Geschichten und Bräuchen der Juden teilhaben und uns tief in diese fremde Kultur eintauchen. Die Zeitlosigkeit der Judenhatz hat etwas Erschreckendes, denn das Buch könnte genau so auch während der Nazi-Zeit spielen. Die Figur des Josef bringt etwas Mythisches, Unheimliches herein, die die Frage aufwirft, was der Mensch darf. Leicht zu verstehen ist das alles nicht, und doch zieht einen dieses Buch unweigerlich in seinen Bann.