Uri Orlev: Der Mann von der anderen Seite. Beltz und Gelberg, 2008.
ISBN: 978-3-407-74084-7
211 Seiten, EUR 7,50 (ab 12 J.)
1943, als Marek vierzehn Jahre alt ist, nimmt ihn sein Ziehvater Antoni das erste Mal mit ins Warschauer Ghetto. Antoni verdient den Lebensunterhalt der Familie damit, dass er Waren durch die Kanalisation ins Ghetto hinein- und Menschen hinausschmuggelt, und nun muss ihm Marek helfen, die schweren Säcke durch die engen, stinkenden Gänge zu schleppen. Auf der anderen Seite sieht der Junge die Not der Menschen und je näher er die Juden kennenlernt, umso mehr ändert sich seine Einstellung ihnen gegenüber. Wenig später erfährt er von seiner Mutter, dass sein eigener Vater Jude und Kommunist war und im Gefängnis gestorben ist. Nachdem Marek mit zwei Gleichaltrigen einen flüchtigen Juden "abgezogen" hat, plagt ihn das schlechte Gewissen. Er beschließt, das gestohlene Geld jenem Mann zu schenken, an dem ihm aufgefallen ist, dass er sich in der Kirche immer falsch bekreuzigt. Als die beiden unerwartet in eine Razzia geraten, versteckt Marek Herrn Jozek und besorgt ihm einen Unterschlupf. Kurze Zeit darauf beginnt im Ghetto der Aufstand der Juden und Herr Jozek möchte dringend zurück, um mit ihnen zu kämpfen. Dorthin gibt es nur den Weg durch die Kanalisation und Marek ist der einzige, der ihm helfen kann. Tragischerweise bricht ein Teil des Kanals durch eine Explosion hinter ihnen zusammen, so dass Marek der Rückweg versperrt wird. Auf einmal findet er sich mitten im Strassenkampf wieder. Der Freudenrausch über das erste Zurückdrängen der Deutschen weicht schnell dem Schock, als der Bunker zusammenbricht, in dem er selbst eigentlich auch sitzen sollte und als Herr Jozek tödlich verletzt wird. Nur durch Antonis Erfahrung und seine Beziehungen gelingt ihnen gerade noch die Flucht aus dem brennenden Ghetto.
Anders als Antoni, sein Onkel und seine Großmutter, die den Juden eigentlich nur helfen, weil sie von ihnen profitieren können, steht Marek immer mehr "auf der anderen Seite". Herr Jozek ersetzt ihm in gewisser Weise den fehlenden Vater. Gleichzeitig beginnt für Marek mit der Arbeit in der Kanalisation aber auch eine Auseinandersetzung mit Antoni, die von seiner Abneigung zu seiner Zustimmung zur Adoption führt.
Dass Uri Orlev hier eine wahre Begebenheit erzählt, macht dieses Buch zu einem erschütternden Dokument der Shoa.