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South on 61 William Bell:
South on 61.

Verlag Urachhaus, 2000.
170 Seiten, DM 26.-- (ab 12 J.)

"Well, I'm heading down on Sixty-one, I'm going home again..."- diese Melodie ist einfach nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen. Der Blues zieht sich als zentrales Motiv durch das Jugendbuch "South on 61" von William Bell und ist darin nicht nur mit Noten abgedruckt, sondern auch auf der beiliegenden CD abrufbar, so dass man die Lektüre schon in der richtigen Stimmung beginnen kann bzw. sich als jugendlicher Lesemuffel vielleicht doch dazu verleiten lässt, das Buch aufzuschlagen.

Matt ist ein ganz normaler Jugendlicher. In der Schule gehört er nicht zu den Besten und er ist sauer auf seine Eltern, die auf's Land gezogen sind, wo er sich wie am Ende der Welt fühlt. Dass er als Sohn eines jüdischen Professors und einer farbigen Bluessängerin ausgegrenzt wird, erlebt er hier stärker als in der Stadt.

Als ihm seine Geschichtslehrerin als letzte Chance, das Examen zu bestehen, ein Projekt anbietet, das sich mit der Region befassen soll, wählt Matt die Erforschung einer alten Holzkiste, die er zufällig im elterlichen Garten ausgegraben hat. Sie enthält Gegenstände aus dem Besitz eines Sklaven aus dem achtzehnten Jahrhundert, wodurch er mit seinen eigenen Wurzeln konfrontiert wird. Es fällt ihm auf, dass seine Mutter keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie wünscht. Neugierig macht er sich ohne das Wissen seiner Eltern auf die Reise in den Süden, um seinen Großvater zu besuchen und kennenzulernen. Dabei erlebt er die Erniedrigung der Schwarzen am eigenen Leib und spürt wie die Arroganz der Weißen zunimmt je näher er seinem Ziel kommt. Obwohl er sich seinem Großvater nicht als Enkel zu erkennen gibt, finden sich die beiden doch sympathisch. Matt versteht, dass Lucas die Weißen hasst und deshalb seine Tochter verstoßen musste als sie heiratete. Auf einer Beerdigungsfeier singt Matt den von seiner Mutter geschriebenen Blues, in dem diese ihre Sehnsucht nach ihrer Heimat zum Ausdruck bringt. Als Matt abreist, lässt er einen betroffenen Großvater zurück, der wenig später bei ihm und seinen Eltern vor der Tür steht, um sich zu entschuldigen - kein Happy End, aber vielleicht der Anfang einer Versöhnung.

Matt's Sprache ist die der Jugendlichen, sie wirkt aber nicht anbiedernd oder aufgesetzt, sondern wie frisch dem Alltag abgelauscht, dialogreich und mit witzigen Kommentaren versehen. Der Autor schafft es, die Jugendlichen da abzuholen, wo sie stehen. Matt's Orientierungs- und Lustlosigkeit, seine Schulschwierigkeiten und seine Probleme mit den Gleichaltrigen werden viele Dreizehn- bis Sechzehnjährige kennen und sich mit ihm identifizieren. Dass Matt die Kurve schließlich durch eine Schulaufgabe kriegt, mag brav klingen. Der Exkurs in die Geschichte bleibt aber immer spannend, da er nie von Matt's Person losgelöst wird. Als das Interesse des Jungen erst einmal geweckt ist, begibt er sich auf die Suche nach sich selbst und wird so zu einem Beispiel für eine gelungene Integration in die Erwachsenenwelt. Er findet nicht nur seinen Platz, sondern bringt mit seiner Spontaneität auch vieles ans Licht und stösst Veränderungen an.

Ein gelungenes Jugendbuch, auch für Heranwachsende, die wenig lesen.

© Ulrike Schmoller
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