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F. E. Higgins:
Das schwarze Buch der Geheimnisse.
Oetinger, 2008.
ISBN: 978-3-7891-3709-9
285 Seiten, EUR 16,90 (ab 12 J.) |
Schon der Einband macht neugierig: zwischen grauen, spinnwebverhangenen Ornamenten prangt in altertümlicher Goldprägung der Titel, begleitet von einer orangefarbenen Kröte, die in der Geschichte noch ihre Bedeutung bekommen wird. Es entsteht so eine Art Edelgrusel, was dieses Buch schon adäquat einordnet. Mit schwarzer Magie hat es nichts zu tun, jedoch viel mit Geheimnissen.
Abwechselnd bekommen wir die Fragmente der Erinnerungen des Jungen Ludlow Fitch, die Versuche der Autorin, die fehlenden Verbindungsstücke zu rekonstruieren und echte Auszüge aus dem schwarzen Buch der Geheimnisse zu lesen.
Ludlow Fitch gelangt durch Zufall auf der Flucht in das Dörfchen Pagus Parvus und wird der Helfer von Joe Zabbidou, einem "Geheimnis-Pfandleiher". Joe tut nichts anderes, als die Dorfbewohner um Mitternacht zu sich einzuladen, damit sie ihm ihre Geheimnisse als Pfand anvertrauen. Diese ruhen, von Ludlow wörtlich mitgeschrieben, sicher im schwarzen Buch der Geheimnisse. Die Menschen bekommen für ihr Pfand einen Beutel voller Geldstücke. So weit so gut, doch rasch stellt sich heraus, dass jeder der Kunden in tiefer Not steckt, da er von Jeremiah Ratchet erpresst wird. Um ihre Schulden bei ihm zu begleichen, haben sie sich zu ungesetzlichen Taten hinreissen lassen und sind nun ohnmächtig in dessen Netz verstrickt. Joe Zabbidou steht rasch hoch in der Gunst der Dorfbewohner, aber auf ihr Drängen, etwas gegen Ratchet zu unternehmen, antwortet er nur, dass er nicht in den Lauf der Dinge eingreifen darf, dass er die Regeln beachten muss und dass die natürliche Gerechtigkeit siegen wird.
Doch die Ungeduld der Menschen bringt sie bald so gegen Joe auf, dass sie ihm Versprechungen in den Mund legen, die er nie gegeben hat. Sie werfen ihm Betrug und Zauberei vor ohne zu sehen, wie sehr Ratchet bereits in Bedrängnis geraten ist. Im letzten Moment, als die Wut der Dörfler zu eskalieren droht, bricht sich Ratchet in seiner Bosheit tatsächlich selbst das Kreuz. Joe Zabbidou und Ludlow Fitch haben ihre Arbeit getan.
Das ärmliche altertümliche Dorf gibt ein ideales Ambiente für undurchsichtige Geschäfte und unklare Verhältnisse ab, für schmutzige Gestalten und schmieriges Machtgehabe. Die Autorin bringt das graue Schwachwerden ebenso plastisch zum Ausdruck wie das ekelhafte, bereichernde Ausnutzen von Ratchet.
Es ist eine äußerst interessante soziale Dynamik, die sich nach dem Auftauchen von Joe Zabbidou in Pagus Parvus entwickelt. Er tut nichts weiter als zuzuhören und bringt doch ungeheuerliche Veränderungen in Gang, er widersteht der Versuchung, rettend einzugreifen und doch wendet sich schließlich alles zum Guten. Er braucht außer seinem eindringlichen Blick und der Fähigkeit, das Warten auszuhalten, keine Magie. Durch diesen in aller Stille geführten Kampf bekommt die Geschichte eine tiefmenschliche Dimension.